Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

Zusammenfassende Darstellung 
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Die Schlacht im Raume Riga—Pinsk, nach ihrer Anlage und Durchführung eine der 
großzügigsten und interessantesten Unternehmungen des Krieges, war beendet. Die 
Leistungen der Truppen waren bewundernswürdig. .In knapp einer Woche," schrieb 
der militärische Mitarbeiter der „Züricher Post" (24. IX. 15), „hatten die Kolonnen 
Eichhorns mit der vorgeschobenen starken Heereskavallerie nicht allein den russischen 
Widerstand gebrochen, sondern auch mit dem linken Flügel rund 120 Kilometer (Ent 
fernung Bahnlinie Swenzjany bis Molodeczno) Boden in einem schwierigen, an Seen 
und Flüssen überreichen Gelände gewonnen. Bei den Kampftruppen, die den stärksten 
russischen Stellungen gegenüberstanden, ist das Vordringen selbstverständlich bedeutend lang 
samer gewesen. Immerhin kamen aber auch die deutschen Armeen südlich Wilnas in der 
gleichen Zeit mehr als 50 Kilometer vorwärts, und die Armee des Prinzen Leopold von 
Bayern hat bei ihrem raschen Vorstoß gegen Nowaja-Mysch, westlich Baranowitschi, 
gleichfalls eine ganz hervorragende Marschgeschwindigkeit entwickelt. Diese gewaltigen 
Leistungen sind nur möglich bei ausgezeichnet arbeitendem Nachschub und scharf rech 
nender Oekonomie der Kräfte. 
In ausländischen Blättern bezeichneten Sachverständige das Einschalten längerer 
Ruhepausen in den allgemeinen Vormarsch, wie es für die Kriegführung im Osten^so 
charakteristisch ist, allerdings als veraltet und als Rückfall in die Kriegführung des 30jäh- 
rigen Krieges. Der bisherige Kriegsverlauf hat aber gezeigt, daß die deutsche Heeresleitung 
diese Tage scheinbarer Tatenlosigkeit stets recht gut auszunutzen wußte. Wir erinnern 
nur an den kurzen Stillstand der Operationen beim San, bei Lublin und jetzt wieder 
bei Wilna. Stets folgte auf die Ruhe eine Periode schärfster Angriffe. Die neu ge 
wonnenen Kräfte wurden mit größter Energie zur Niederringung des Gegners eingesetzt, 
und der Erfolg war stets derselbe: Der Feind wurde überrascht, und die kaum befestigte 
Linie an unerwarteter Stelle durchbrochen. (So auch diesmal wieder, wenn man die 
Entente als Gesamtheit als Feind betrachtet, auf dem Balkan.) 
Die Verluste der verbündeten Truppen bei ihren Vormarsch-Kämpfen wagen wir 
nicht abzuschätzen. Die Grundlagen sind zu unsicher. Die glänzende Führung der Ope 
rationen, die es stets nur an dem entscheidenden Punkte zu schweren Angriffen kommen 
ließ, läßt aber die Vermutung zu, daß auch hier äußerste Schonung der Kräfte herrschte. 
Blutige Verluste sind selbstverständlich nie zu vermeiden, wenn man große Ziele er 
reichen will. Das rücksichtsloseste Einsetzen stärkster Kräfte am entscheidenden Punkte 
ist aber meist viel schonender als zögernder Einsatz an verschiedenen Stellen." 
War es auch nicht gelungen, die russischen Nord- und Westarmeen zwischen Brest-Litowsk 
und Minsk einzukreisen, hatte die deutsche Heeresleitung im Osten doch hinter dem 
weiten, in Organisation begriffenen eroberten Gebiete eine so günstige Nord-Südfront, 
Mitau—Wilna—Baranowitschi—Pinsk, gewonnen, daß sie mit den Oesterreichern und 
Ungarn Schulter an Schulter in der Lage war, auch mit verringerten Streitkräften die 
russischen Gegenstöße zu hemmen, durch die die Entscheidung auf dem Balkan beeinflußt 
werden sollte. Das erschien möglich selbst ohne die untere Dünalinie und das wolhynische 
Festungsdreieck, obwohl hier und in Galizien die Gefahr einer unmittelbareren russischen 
Einwirkung aus den Balkanfeldzug nicht allzu leicht genommen werden durfte. 
So haben völlige Folgerichtigkeit, kühnster Entschluß und kräftigste Ausführung zu 
sammengewirkt ein strategisches Meisterwerk zu schaffen, im reinsten Gleichmaß und 
Einklang aller Teile. Der Dank, den der deutsche Kaiser der Obersten Heeresleitung 
in der Ehrung des Generals Falkenhayn aussprach, war wohl verdient; denn sie allein 
sicherte, bei aller Bewegungsfreiheit der Führer der einzelnen Heeresgruppen und 
Armeen in den ihnen zugewiesenen Operationsräumen, die Einheitlichkeit der Handlung, 
die Grundlage aller Kriegserfolge.
	        
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