Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

340 D i e Türkei während des dritten Kriegshalbjahres 
10. Dezember 1915. 
Die noch auf dem amerikanischen Konsulat in Kairo verbliebenen deutschen und österreichische ungarischen 
Konsuln sind von den britischen Militärbehörden ausgewiesen und in Alexandria eingeschifft worden. 
Anfang Januar 1916. 
Firmen, deren Inhaber oder Teilhaber deutscher oder österreichisch-ungarischer Nationalität sind, 
dürfen, wie die „Frankfurter Zeitung" (12.1.1916) von unterrichteter Seite erfuhr, von jetzt ab 
keine Geschäfte mehr machen, nur noch vorhandene Warenbestände liquidieren, Forderungen ein 
ziehen und Schulden in Aegypten bezahlen. Zahlungen ins neutrale Ausland dürfen nicht mehr 
gemacht werden, Zahlungen nach England und den mit England alliierten Ländern nur mit beson 
derer Erlaubnis der Militärbehörde. Die sich aus dieser Liquidierung ergebenden Barbeträge müßen 
bei der Nationalbank von Aegypten bis Kriegsende niedergelegt werden. 
7. Januar 1916. 
Lloyds, die bereits vom 18. Dezember 1915 alle Sätze für Transport- und Schiffsversicherungen 
der Linie Suez—Aden um 40 Prozent erhöht haben, nahmen von Januar 1916 ab keine neuen 
Versicherungen für die Schiffsroute Port Said—Aden mehr an. 
* * * 
Ueber die wirtschaftliche Lage und die Stimmung der Bevölkerung in Aegypten 
haben die „Neuen Zürcher Nachrichten" (16. X. 1915) Mitteilungen eines Italieners 
und das „Berliner Tageblatt" (25. III. 1916) Erzählungen eines Schweizers H. B. 
veröffentlicht. Darnach war die wirtschaftliche Lage verzweifelt. Die Baumwolle konnte 
infolge des Ausfuhrverbots (vgl. VIII, S. 320) und der wirtschaftlichen Depression nicht 
verkauft werden, alles Gold bis auf den Privatschmuck hatten die Engländer konfisziert. 
Trotz der strengsten Maßnahmen der Regierung und trotz des Spitzeltums bringe der 
überwiegende Teil der Bevölkerung seine Sympathien für Türken und Deutsche offen 
zum Ausdruck; als ägyptische Offiziere sich weigerten, auf der Gallipolihalbinsel oder 
am Suezkanal gegen die Türken zu kämpfen, seien die eingeborenen ägyptischen Truppen 
entwaffnet und nach dem Sudan verschickt und die türkisch gesinnten Offiziere aus der 
Armee ausgestoßen worden. Freiwillige, die für die ägyptische Armee angeworben 
worden seien und dem Befehl zur Einschiffung nach den Dardanellen Widerstand ent 
gegensetzten, seien von australischen Truppen mit Ochsenpeitschen aus die Schiffe getrieben 
worden. Alle ägyptischen Patrioten schmachteten entweder im Gefängnis oder seien nach 
Malta deportiert worden. Der Sultan sei unpopulär, ja vielfach verhaßt; so hätten sich die 
Ulemas geweigert, seinen Namen statt dem des Kalifen im Freitagsgebet zu nennen. Das 
Treiben der australischen, neuseeländischen und kanadischen Truppen, die auch vor Brand 
stiftung und Mord nicht zurückschreckten, spotte jeder Beschreibung und flöße den britischen 
Behörden fast dieselbe Furcht ein, wie den übrigen Europäern und den Eingeborenen. 
„Seit dem unglücklichen Dardanellenabenteuer", erzählt der Schweizer im „Berliner 
Tageblatt", „sind die Australier völlig demoralisiert. Sie zogen in den Kamps, in jeder 
Rocktasche eine Whiskyflasche und kamen zurück mit Nervenchoc, verrückt oder mit Hand 
schellen. Das Volk hat diese Dinge wohl bemerkt. Das arabische wie das europäische 
Publikum sieht heute englische Soldaten in Masse auf der Straße betteln und von den 
Passanten Geld zum Trinken verlangen! Die englischen Behörden haben solche Angst 
vor ihrem Soldatengestndel, daß sie eine hohe Strafe daraus gesetzt haben, wenn jemand 
den Soldaten ihre Schuhe, Lederzeug, Uniformstücke usw. abkauft. Logischer wäre ge 
wesen, den Soldaten selbst den Verkauf ihrer Siebensachen zu verbieten. . . . Was 
man von den kolossalen Verteidigungsmaßregeln der Engländer erzählt, beruht zum 
Teil aus Uebertreibung oft auch auf Schwindel. Um beim Volke den Eindruck ungeheurer 
Truppenmengen zu erwecken, läßt man z. B. dieselbe Truppe mit verschiedenen Kopf 
bedeckungen wiederholt durch dieselben Straßen ziehen und dergleichen mehr."
	        
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