Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

332 D i e Türkei während des dritten Kriegshalbjahres 
Der Präsident endete mit der Verherrlichung des Andenkens der im Heiligen Krieg 
Gefallenen; dann erhob sich der Kriegsminister Enver Pascha und hielt, vielfach von 
lebhaftem Beifall unterbrochen, folgende Ansprache: 
„Nach dem letzten Krieg, der zu einem Gebietsverlust führte und zu einem Angriff auf unsere 
Würde, folgte das Kriegsminiflerium dem Beispiel der anderen Departements in der Aufgabe der 
Wiedergeburt des Vaterlandes und suchte die zerstreuten Teile des Heeres zu sammeln. Die Ereig- 
niffe überstürzten sich in unerwarteter Weise. Der allgemeine Krieg brach in dem Augenblicke aus, 
als man sich dessen am wenigsten versah. Die geographische Lage unseres Landes und die alten 
Beziehungen zu unseren Nachbarn, deren Haltung uns beeinfluffen konnte, verpflichteten uns dazu, 
auf der Hut zu sein, und der Mangel in unseren Verbindungsmitteln versetzte uns in die Notwendig 
keit, uns sofort an unsere Aufgabe zu machen. Der Sultan ordnete die Mobilmachung an. Die 
gesamte Nation strömte in kaum gehoffter Begeisterung zu den Waffen. Ein großes Heer wurde auf 
gestellt. Inzwischen ging der Krieg weiter. Der Lauf der Ereignisse bedrohte uns. Von einem 
Augenblick zum anderen taten wir alles was möglich war, um den Krieg zu vermeiden. Der erste 
Kanonenschuß, der von der russischen Offensive im Schwarzen Meer herrührte, zwang uns, am Kriege 
teilzunehmen. Wir verstanden sofort, daß unsere Feinde seit langem bereit waren, unsere Grenzen 
zu überschreiten. Sie suchten einen günstigen Augenblick zur Ausführung ihres Planes. Wir waren 
von allen Seiten den feindlichen Angriffen ausgesetzt. Da die Regierung keine Angriffsabsichten hatte, 
so hatte sie ihre Streitkräfte verteilt, um sich gegen Angriffe von außen zu rüsten. Die russische Offen 
sive, die mit dem ersten Kanonenschuß im Kaukasus begann, schien einen Augenblick Fortschritte zu 
machen. Aber einen Monat später verfolgten wir durch Gegenangriffe die Russen bis in ihr eigenes 
Gebiet und machten es der russischen Armee unmöglich, uns zu schaden. 
Inzwischen bereiteten sich wichtige Ereignisse an den Dardanellen vor. Aber vorher unternahmen 
wir einen Zug nach Aegypten. Nach den vorbereitenden Schritten für diese Expedition, die für 
unmöglich gehalten wurde, überschritten wir den Sinai und besetzten das Gelände in der Umgebung 
des Kanals, was für die zukünftigen Operationen für unentbehrlich erachtet wurde. Wir erkannten 
den Plan des Feindes und trafen Gegenmaßregeln. Diese Unternehmung gab uns die feste Ueber 
zeugung, daß eine Expedition gegen Aegypten möglich ist und daß sie mit Erfolg gekrönt sein wird. 
In der Zwischenzeit unternahm die englisch-französische Flotte einige kleine Vorstöße gegen die 
Dardanellen. Die äußeren Forts, die keinen militärischen Wert haben, schwiegen, nachdem sie un 
erwarteten Widerstand geleistet hatten. Der Feind, durch den leichten Erfolg ermutigt, griff am 
8. März 1915 mit seiner für unbesiegbar gehaltenen Flotte die Meerenge an. Aber mit Gottes Hilfe 
versenkten wir einen Teil seiner Flotte, was die geschlagenen Angreifer zwang, zurück 
zugehen. Nachdem diese Unternehmung gescheitert war, dachte der Feind daran, uns auf dem Lande 
zu besiegen, die Meerenge zu öffnen und Konstantinopel zu nehmen. Aber auch diesmal behielt unsere 
Voraussicht über die Absichten des Feindes die Oberhand. Den Franzosen und Engländern gelang 
es bisher nicht, ihre Aufgabe zu lösen trotz der furchtbaren Mittel, über die sie verfügen, und es 
wird ihnen auch ferner unmöglich sein, in ihrem Unternehmen Erfolg zu haben. 
Da die Zeitungen bereits Einzelheiten über den Heldenmut und die Opferwilligkeit der türkischen 
Soldaten gegeben haben, so ist es überflüssig, darüber wieder zu sprechen. Während der Dardanellen 
schlachten blieben die türkischen Soldaten mit der Waffe in der Hand unerschütterlich unter einem 
feindlichen Artilleriefeuer von 20- bis 30facher Uebermacht, erwarteten lächelnd den Angriff des 
Feindes und brachten ihn schließlich zum Zusammenbruch. Nach unseren Berechnungen benutzte der Feind 
ungefähr 500000 Mann für diese Angriffe. Ungefähr die Hälfte davon liegt auf Gallipoli begraben 
oder kehrte verwundet zurück. Wir erfahren nunmehr, daß ein neues Ereignis die schon erschütterte 
Hoffnung des Feindes vernichtet hat, so daß er schon einen Teil seiner Kräfte zurückzieht. 
Wie ich Ihnen schon vorher sagte, war es uns unmöglich, auf allen unseren Grenzen gleich stark 
zu sein, da nur das Endziel dieses Krieges für uns in Betracht kam, sonst hätten wir keinen Erfolg 
erringen können. Aus diesem Grunde wurden einige Gebiete des Reiches einem feindlichen Einbruch 
ausgesetzt. Aber ich kann mit Ueberzeugung hoffen, daß wir vor dem Friedensschluß den Feind aus 
diesen Gebieten vertreiben und ihn weit über unsere Grenzen zurückdrängen werden. 
In einigen Tagen wird das Jahr vollendet sein, in dem wir in den Krieg eintraten. Die von der 
ganzen Nation bezeugte Vaterlandsliebe geht weit über die höchsten Erwartungen. Dank dieser Vater
	        
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