Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

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Stadt zu beschießen; die Notwendigkeit habe sich aber schon aus der Lage der Stadt 
und dem Wert, den sie als Stützpunkt und Verpflegungszentrum dem Feinde biete, 
ergeben. Dem „sybaritischen Leben" der österreichisch-ungarischen Soldaten und Offiziere, 
die bequem in schönen Bürgerhäusern lebten und sich bei Militärmustk in Cafes gütlich 
täten, habe ein Ende gemacht werden müssen. Der Bericht fährt dann fort: „Die 
österreichisch-ungarischen Gefangenen selber erzählen, daß die Beschießung von Görz 
eine schmerzliche Ueberraschung für das österreichisch-ungarische Kommando war, das 
sich völlig sicher glaubte und meinte, daß die Italiener keinen Schuß aus die Stadt 
abgeben würden. Die Oesterreicher und Ungarn waren in dieser Ueberzeugung zu einem 
unglaublichen Grad von Unverschämtheit (impudenza, wörtlicher Ausdruck des Berichts!) 
gelangt: jede Nacht blieb die Stadt, vor der in Kilometerentfernung das Belagerungs 
heer stand, wie in ruhigen Zeiten beleuchtet; Sonntags fuhr die Militärkapelle fort, 
ihr Konzert auf dem Gartenplatz zu geben, und die leichten Wiener Walzerklänge tönten 
bis zu unseren Schützengräben auf den Höhen von Pevma und Oslavija herüber." 
Dazu schrieb die „Kölnische Zeitung" (27. XI. 15): „Diese Unverschämtheit der Oester- 
reicher und Ungarn rechtfertigt natürlich vollkommen die italienische Beschießung; wie 
können auch die Oesterreicher sich erdreisten in einer Stadt, die von Rechts wegen — 
nach italienischen Begriffen — den Italienern gehört, deutsche Musik zu machen und 
überhaupt noch darin zu bleiben, da sie doch wissen, daß ihre ehemaligen Verbündeten 
hinein wollen?" Trotz der amtlichen italienischen Rechtfertigungsversuche (vgl. S. 94, 95) 
und der Bemühungen der italienischen Tagespresse, die Vorgänge als ganz selbstverständlich 
und notwendig hinzustellen, ist und bleibt die Beschießung von Görz durch die Italiener ein 
Akt barbarischer Zerstörungswut. Das sind keine zufälligen Beschädigungen von Fresken, wie 
sie leider durch den österreichisch-ungarischen Fliegerangriff auf Venedig am 24. und 25. Ok 
tober 1915 in der dicht neben dem Bahnhof gelegenen Kirche Santa Maria degli Scalzi 
vorkamen und so viel Entrüstung in den Kreisen der Entente wie der Neutralen hervor 
riefen, das sind, wie ein Bericht aus dem K. u. K. Kriegspressequartier vom 22. November 
1915 betont, „völkerrechtswidrige Akte rohesten Gewaltmißbrauchs gegen 
wehrlose Zivilpersonen und ehrwürdige Kunstdenkmäler." 
Die Entrüstung über das Vorgehen der italienischen Heeresleitung und das Mit 
gefühl mit den schwer geprüften Bewohnern der heimgesuchten Landesteile waren 
überall, teilweise auch in neutralen Ländern, groß und tief. Allen voran sprach Kaiser 
Franz Josef der Bevölkerung des Küstenlandes und der Stadt Görz in einem Hand 
schreiben an den K. K. Ministerpräsidenten Grafen Stürgkh sein Beileid und die 
Zusicherung werktätiger Hilfe bei der Wiederherstellung aus. Die Kundgebung lautet: 
„Lieber Graf Stürgkh! Seitdem der Eintritt Italiens in den Kreis unserer 
Feinde den Streit der Waffen nach vordem nicht bedrohten Stätten friedlicher 
Arbeit getragen hat, leiden gesegnete Landstriche an den südlichen Reichsgrenzen, von 
meinen braven Truppen nun durch mehr als ein halbes Jahr mit heldenmütiger Ent 
schlossenheit verteidigt, schwer unter dem Ungemach des Krieges und dem stets erneuten 
wütenden Ansturm des Gegners. Im schwergeprüften Küstenlands kann insbesondere 
die meinem Herzen teuere Landeshauptstadt Görz mit der Stärke des Schwertes wohl 
vor der Eroberung durch den Feind, nicht aber vor einem Zerstörungswerke beschützt 
werden, das der im Gebote militärischer Notwendigkeit begründeten Rechtfertigung ent 
behrt. Mit tiefer Bekümmernis die Drangsal einer treuen Bevölkerung wahrnehmend, 
würdige ich dankbar den Opfermut, mit dem sie in festem Vertrauen aus den Sieg der 
gerechten Sache und ihre unverbrüchliche Zugehörigkeit zur Monarchie die Härte der 
Zeit über sich ergehen läßt und die gewaltigen Leistungen meines Heeres durch ihre 
Standhaftigkeit unterstützt.
	        
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