Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

D i e Winterkämpfe am Jsonzo 
Aber auch das ist noch nicht alles, auch das läßt sich noch überbieten, denn kaum 
der Donner der Kanonen sich gelegt und die Menschen sich wieder auf die Straße 
gewagt, erschien plötzlich über der Stadt ein Luftgeschwader. Die großen italienischen 
Kampfflieger blieben nicht zu einer Flotte vereint, sondern sie zerstreuten sich über die 
ganze Stadt. Aus ihren Maschinengewehren gaben sie ganze Salven ab und warfen 
büschelweise Fliegerpfeile in die Straßen. Es war so, als wäre ein utopisch-phantastischer 
Roman zur Wahrheit geworden. An der Piazzetta schöpft eine Frau aus dem Brunnen 
Wasser. Ein Fliegerpfeil trifft sie. Vom Scheitel bis zur Sohle bohrt sich in einer 
Sekunde der todbringende Pfeil. Ueber denselben Vorortplatz eilten drei Kindlein an 
der Hand einer anderen Frau. Ob der italienische Flieger es wußte, daß er eine Mutter 
und drei kleine Kinder getroffen? 
Die unglücklichen Görzer waren in ihrer Stadt wie in einer belagerten Festung ein 
geschlossen. Sie konnten nicht flüchten, denn auch die aus der Stadt führenden Wege 
wurden von den italienischen Geschützen ständig unter Feuer gehalten. Tollkühne Tapfer 
keit war nötig, um zu flüchten; denn auch auf jene, die sich auf die Heeresstraße begaben, 
warteten hundert Tode. . . . 
Die italienischen Geschütze schossen meistens mit Brandgranaten. Dort, wo eine solche 
Granate einschlägt, ist nicht nur alles zu Staub zermalmt, sondern auch zur Asche ge 
brannt. Ganze Straßenzüge werden von den züngelnden Flammen ersaßt. Aus das 
Rathaus flog mit einer Brandgranate der rote Hahn. Im Flammenmeer stand das 
Seminar. Vom brennenden alten Luzzato-Palais fiel der Feuerschein auf die nahen 
Zypressen des alten Friedhofes. Auf das Kastell fiel Granate um Granate. Die Kerzen 
fabrik Bader schmolz wahrhaft im Brande. Das größte Hotel, das Parkhotel, ist ab 
gebrannt. Sechs Granaten haben es getroffen. Die Via Morelli, die Via Labarta 
schienen brennende Straßenkulissen zu sein. Die Italiener zerschossen das erzbischöfliche 
Palais. Sie zerschossen das alte Palais der Grafen von Chambord, sie legten den 
Feuerbrand in das Vereinshaus der Slovenen. Keine der Kirchen blieb unverletzt in 
Görz. Die Turmuhr der Jesuitenkirche fiel vom Luftdruck einer Granate auf das Pflaster. 
Rauch und Flammen erfüllten die Straßen. Die Via del Ponte Nuovo, die bäume 
gesäumte Straße zur Jsonzobrücke, wurde zur Allee des Todes. An der Piazza Grande, 
dem weiten, altehrwürdigen Platz, blieb kein Haus unverletzt. Der Platz übersät von 
den Trümmern der eingestürzten Hausmauern. Die Granaten warfen mit den Trümmern 
der Häuser ganze Barrikaden aus dem Platze aus. Die Quadern des Pflasters sind auf 
gerissen. Halbe Zimmereinrichtungen, Möbelstücke sind hingestreut. Hier auf der Piazza 
Grande ist sonst alljährlich am 30. November am Sankt-Andreas-Tage der Jahrmarkt. 
Von der Ebene und von den Bergen eilt hier das Volk zusammen zur frohen alten 
„Fiera". Der Sankt-Andreas-Tag steht vor der Tür, aber die Piazza Grande wird 
nicht ein Platz der Freude, sondern ein Tal des Jammers sein." 
Und die Beschießung ging weiter. Pogany berichtete am 7. Dezember 1915 dem 
„Berliner Tageblatt" (7. XII. 15): „Jede Nacht kommen noch einige hundert Granaten. 
Von den 2500 Häusern der Stadt ist jedes getroffen, 1500 aber sind schwer beschädigt. 
Keine einzige Kirche ist ohne Volltreffer ausgegangen. Von den 20 Zimmern der Be 
zirkshauptmannschaft kann man nur zwei benutzen. Keine einzige Glasscheibe in der 
Stadt ist ganz. Ueberall stockhohe Trümmerhaufen. Seitdem die Italiener das städtische 
Gaswerk zerschossen haben, ist die Stadt auch ohne Licht." 
Trotzdem das Reservespital, das sich bis zur Beschießung am 25. und 26. November 
im Zentrum der Stadt Görz befand, damals auf einen Hügel ostwärts der Stadt 
verlegt und durch Genfer Flaggen von riesiger Größe kenntlich gemacht worden war, 
begannen am 13. Dezember abermals italienische Artilleriegeschosse in der Umgebung des
	        
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