Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

122 Der italienische Krieg während des dritten Kriegshalbjahres 
nachmittags den Höhepunkt, um dann gegen Abend abzuflauen. Nach amtlichen 
Ausweisen wurden seit Kriegsbeginn bis Mitte November 1915 58 Zivilpersonen 
getötet und 50 verwundet, darunter viele Kinder. Das Kloster Monte Santo war 
abgebrannt und dessen Kirche zerstört. Die Sakristei der Görzer Domkirche war demo 
liert. Das Kloster Castagnavizza, die letzte Ruhestätte des Grafen Chambord, erhielt 
mehrere Granat- und Schrapnelltreffer, wodurch das Dach und die Malereien von 
Leonardo Rigo sowohl in der Kirche als auch im Kloster beschädigt wurden. Das im 
Zentrum der Stadt liegende Ursulinerinnenkloster wurde zur Hälfte zerstört. In die 
Kirche Santo Antonio schlug eine Fliegerbombe durch das Dach. Beide Bahnhöfe waren 
von Artilleriegeschossen durchsiebt. Die Kirchen in den Vorstädten Podgora und Grasen 
berg, dann jene von Pevma, St. Andrea und Oslavija sind ganz zusammengeschossen, 
zum größeren Teil auch die betreffenden Ortschaften selbst, von Görz litt am meisten 
der Südteil. Nur wenige Privathäuser blieben ohne Treffer. In das Prachtgebäude 
der Oesterreichisch-Ungarischen Bank schlugen mehrere Sprengstücke ein, wodurch die 
Decke des Sliegenhauses und die Stiege selbst beschädigt wurden. Besonders aber litt 
das neue Bezirksgericht, das bisher zehn Volltreffer erhielt. Feindliche Flieger belegten 
die Stadt überdies auch öfters mit Bomben. Charakteristisch für die italienische Krieg 
führung ist, daß am Allerseelentage die von der italienischen Stellung gut gesehene 
Straße zum Friedhof unter Artilleriefeuer genommen wurde. 
Nach Mitteilungen des Görzer Landeshauptmanns, des Reichstags abgeordneten und 
Dompropstes Faidutti, die in der „Wiener Neuen Freien Presse" (24. XI. 15) erschienen, 
lebten Ende November 1915 noch etwa 1500 Personen, rund die Hälfte der Bevölkerung, 
meist ärmere Leute in der Stadt. Die Landesirrenanstalt wurde wiederholt von Gra 
naten getroffen, deren eine auch Kranke verwundete; eine andere platzte im Verwaltungs 
gebäude und zerstörte die Apotheke und das physikalische Kabinett. Auch das Landes 
spital, das große städtische Frauenspital und das angegliederte Siechenhaus wurden 
von italienischen Geschossen heimgesucht. 
Die zielbewußte planmäßige Beschießung der unglücklichen Stadt hatte am 18. November 
1915 begonnen. Ein zu Beginn der fünften Jsonzoschlacht gefangen genommener ita 
lienischer Unteroffizier wußte zu berichten, Görz würde mit Bomben vernichtet, wäre es 
nicht bis zum 18. November von den Italienern erobert. Und so geschah es. „Vom 
18. November an war der Schrecken Herr der Stadt," erzählt der Kriegsberichterstatter 
Pogany im „Berliner Tageblatt" (26. XI. 15). „Die Bewohner verschlossen sich in 
ihren Häusern vor den Granaten. Die Einwohner der oberen Stockwerke flüchteten in 
die Keller. Aber auch das war vergebens, denn die Granaten mordeten nicht nur auf 
den offenen Straßen, sie töteten auch mitten in den Häusern. In der Via Castello 
schliefen in einem Zimmer vier Kinder, alle vier tötete eine Granate. Im Paternolli- 
Haus lag ausgestreckt der Leichnam einer alten Frau. Zwei Soldaten hielten bei ihr 
die Totenwacht. Denn so häufig war der Tod in der letzten Zeit Gast in Görz, daß 
n"r rastende Soldaten die freiwillige Totenwache übernehmen konnten. In dieses Toten 
zimmer fiel eine Granate und neben der Toten lag ein neuer Toter. Einem Wächter war 
von einer Granate der Kops vom Rumpf gerissen. Aber wer könnte alle diese Schreck 
nisse aufzählen, wer könnte jetzt schon bestimmen, wie viele am Schrecken gestorben, wie 
viele durch Granaten, wie viele durch Feuer? Manch einer war vor Schrecken wahn 
sinnig geworden. Alle Arten des Grauens hatten sich gesammelt. Menschen, die 
wegen der verschlossenen Haustore auf der Straße geblieben waren, irrten jammernd 
von Tor zu Tor, säst wahnsinnig vor Angst, um Einlaß zu erbetteln. Kein Herd 
war warm an diesen Tagen in Görz, und sehr viele hatten nichts zu essen. Alle Ge 
schäfte waren geschlossen, alle Märkte verlassen, kein Mensch wagte sich aus die Straßen.
	        
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