Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

2 Der italienische Krieg während des dritten Kriegshalbjahres 
im Krieg, haben sich mit allen Gegnern gemessen, und ihre Furchtlosigkeit ist das Er 
gebnis einer großen, der einzigen Kriegsersahrung des gemeinen Mannes: „Je ruhiger 
ich bin, je sicherer ich schieße, je kühner ich im äußersten Fall das Bajonett gebrauche, 
desto mehr Aussicht habe ich, den Feind niederzumachen und selbst heil zu bleiben." 
Dafür zwei Beispiele: 
Ich war bei einem hohen General zum Abendessen. Da bringt ein Generalstabs 
hauptmann die Meldung: „Die Stellungen bei Oslawija sind vom Feind genommen." 
War das nicht eine Hiobspost? Mußten die Herren da nicht aufspringen, verzweifelt 
klagen? Von Oslavija aus wird die Podgorahöhe flankiert, und Görz ist morgen ita 
lienisch. ... Aber kein lautes Wort kommt aus der Runde. Exzellenz flüstert dem 
Generalstabschef einige Dispositionen ins Ohr — wir essen weiter — und um fünf 
Uhr des nächsten Nachmittags photographierte ich im Stabsquartier 500 Italiener — 
die Gefangenen von Oslavija. Die Rückeroberung hatte den K. u. K. Truppen zwei, 
sage zwei Mann gekostet. — So etwas gibt zu denken. 
Ein anderer Fall hat sich bei einer Division abgespielt, bei der ich schon in Rußland 
gewesen war. Ein Regiment der Division — ich glaube, es waren Dalmatiner — hatte 
viele Tage in den Schützengräben gelegen, war abgelöst worden und kam nun aus der 
Front zurück: nicht müde, nein, erschöpft, über und über mit Lehmkrusten bedeckt, ge 
schwärzt von Pulverrauch. In diesem Zustand hatten sie den Italienern Trotz geboten. 
Mittags greifen die Italiener draußen die Ersatztruppen an und — werfen sie. Die 
Nachricht kommt zu den ermüdeten Dalmatinern: „Eure Gräben sind von den Welschen 
genommen." Sie hatten noch keinen Augenblick geschlafen, die Dalmatiner — sich 
eben erst zum Essen hingesetzt — und hui! waren sie wieder auf den Füßen. Wie ein 
Schrei ging es durch die Reihen: „Es sind unsere Gräben — unser muß die Rache 
sein." Zurück und die Italiener hinaushauen — es war das Werk von zwei, drei 
Stunden. 
Das ist das zweite Geheimnis: die Tüchtigkeit aber auch die Wut eurer In 
fanteristen. Eure Oberschicht schätzt die Kultur Dantes, Michel Angelas und Palestrinas, 
weiß aber auch, daß Gefühlspolitik ein schlechtes Geschäft ist und gute Politik ein gutes 
Geschäft. Das Volk jedoch denkt einfacher und gerader: „Du Welscher hast an meinem 
Tisch gesessen und wolltest mich, deinen Freund, dann hinterrücks erdolchen." JedÄ 
einzelne eurer Infanteristen steht in jedem einzelnen Italiener den Verräter, den 
Schurken und fühlt sich selbst als Vollstrecker der ewigen Gerechtigkeit. Die Ueberlegen- 
heit im Sittlichen gibt eurem Infanteristen doppelte Kraft. Euer Offizier schöpft die 
selbe Kraft aus der Kriegsgeschichte, die von Mortara und Novara redet. 
Andrerseits kennt der italienische Soldat aus seiner Amme Mund allerlei Märchen 
von dem schrecklichen Croata und Ulano Quadrumano; er weiß, daß seit acht Monaten 
das Blut der Besten am Jsonzo floß, daß man in all der Zeit keine Elle vorwärts 
kam. Vielleicht hat er auch vom Dreibund gehört und der Kündigung . .. Muß er 
das Schicksal der italienischen Linienregimenter nicht für Himmelsstrafe ansehen? 
Die jungen Jahrgänge starben vergebens — nun kommt er selbst, der alte Reservist, 
daran. Ich möchte nicht Partei für oder gegen die Italiener ergreifen und kein Ur 
teil über ihr Benehmen gefällt haben; ich suche nur die Logik des kleinen Mannes 
darzulegen.... 
Der Geist bei euch ist: Wut gegen den Bundesverräter, achtzehn Monate Todesver 
achtung. Die Italiener sind seit wenigen Tagen an der Front — die Mannschaft der 
Sommerkämpse ist dahingerafft."
	        
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