Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

190 Die Ereignisse an der Ostfront nach der Wiedereroberung von Przemysl 
seine Tatkraft und Entschlossenheit zu beweisen, dadurch die zaghafte Mannschaft zu 
neuen kraftvollen Taten emporzureißen und so durch den Sieg des Geistes dem Feinde 
den realen Sieg zu entreißen (wyrwaty realnuju pobjedu u wroga). 
Unterschrieben: Der Armeeführer: General der Infanterie gez. Smirnow. Gegen 
gezeichnet: Der Chef des Stabes: Generalleutnant gez. Kwiecinski." 
Der Befehl zeigt zweierlei. Welche gewaltige Verluste müssen die Russen gehabt 
haben, wenn ste 50 vom Hundert als „normal" bezeichnen! Und wie muß das deutsche 
Feuer auf Körper und „Geist" der russischen Truppen vernichtend gewirkt haben, daß sie 
trotz dieser Anweisungen doch immer Stellung auf Stellung räumten! 
Wie tief die Niedergeschlagenheit in der russischen Armee gewesen ist und wie ste sich 
in Mißtrauen und Feindschaft gegen die russischen Träger deutscher Namen entladen hat, 
das zeigt mit überraschender Offenheit der folgende, von deutschen Truppen ausgefundene 
und vom „Wolfschen Büreo" veröffentlichte Geheimbefehl des Oberstkommandierenden der 
Nordwestfront, des Großfürsten Nikolaj Nikolajewitsch, vom 7. August 1915: 
„An den Kommandeur der 10. Armee. Der Chef des Stabes des Oberstkommandieren 
den teilte mit, daß in einer Zeit, in der wir im angestrengten Ringen mit einem 
starken Feinde stehen, viele Leute sehr pessimistisch über Ereignisse urteilen, was in jedem 
Falle sehr der Sache schadet. Auch glauben ste manchmal erfundenen Gerüchten und er 
klären sogar vorübergehende Mißerfolge durch Verrat der Führer. Der Oberstkomman 
dierende bemerkte, daß derartige Gerüchte nicht nur unter der Bevölkerung auftauchen, 
sondern auch unter den Truppen selbst verbreitet werden; durch seinen Befehl vom 26. Juni 
Nr. 524 hat er befohlen, die Schuldigen nach der ganzen Strenge des Gesetzes zu be 
strafen. In demselben Befehl ist unter anderem bemerkt, daß die Verdächtigung voll 
ständig unschuldiger Leute, die einen nicht russischen Namen tragen, unzulässtg ist. 
Mit harten Mitteln allein kann man derartige Gerüchte nicht unterdrücken. Es ist 
unbedingt notwendig, alles aufzubieten, damit sie gar nicht erst auftauchen. Höhere Truppen 
führer, die einen nichtrussischen Namen tragen, müssen selbst beweisen, daß ste ihrer 
Gesinnung nach in jeder Hinsicht Russen sind. Sie müssen alles vermeiden, was ihnen 
als Deutschsreundlichkeit ausgelegt werden könnte. Deswegen ist es unbedingt not 
wendig, daß sie anstreben, sich mit echten Russen zu umgeben. Demgemäß hat auch der 
Oberstkommandierende verfügt, daß alle Offiziere mft deutschen Namen, die Adjutanten, 
Ordonnanzoffiziere usw. bei höheren Führern sind, die ebenfalls einen deutschen Namen 
tragen, sofort in die Front versetzt werden sollen. Für die Richtigkeit 1. Adjutant, 
Hauptmann, gez. Richter." 
Ist es nicht ein bitterer Hohn, daß gerade dieser Befehl von einem russischen Haupt 
mann mit dem deutschen Namen „Richter" unterzeichnet werden mußte? 
Die russischen Heere und ihre Kriegsgefangenen 
In einem siegreich genommenen russischen Schützengraben fand sich der folgende Auf 
ruf an die deutschen Soldaten, der charakteristisch ist für die zum Teil geschriebenen, 
zum Teil gedruckten Auftufe, mit denen russische Truppen die Soldaten der Verbündeten 
immer wieder zur Ergebung auffordern. Er lautet nach der „Norddeutschen Allgemeinen 
Zeitung" folgendermaßen: „Deutsche Soldaten! Wir bringen Euch die Wahrheit! Zum 
zweiten Male schon schleppt man Euch vor die Schanzen Warschaus und zum zweiten 
Male wird Euer Blut zwecklos vergossen. Drüben in der Heimat weinen Eure Frauen 
und Kinder. Ihr selbst erduldet unsägliche Not und geht sicherem Verderben entgegen. 
Rußlands Armeen sind groß, wie das Meer. Unmöglich ist es, sie zu durchbrechen, 
unmöglich, unser Riesenheer zu besiegen.
	        
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