Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Der französische Sozialismus und der Krieg 319 
„Wenn wir die Wiedereinverleibung dieser Provinzen verwirklicht haben/ fuhr Viviani 
fort, „können wir sagen, daß sie nicht durch Eroberung, sondern durch Restitution zu uns 
zurückgekommen sind. Laut Vertrag vom 5. September 1914 kann die Regierung eine 
friedliche Lösung nur gemeinsam mit den Verbündeten erwägen (vgl. I, S. 320), deren 
Treue in diesen Prüfungen das heilige Bündnis noch enger gestaltet, jenes Bündnis, 
das die Sache der Zivilisation und des Rechts retten und Europa, ja vielleicht die 
ganze Welt retten wird, denn der Triumph des preußischen Militarismus wäre die 
Vernichtung aller Freiheiten. Nicht nur die Regierungen reden so, sondern auch die 
verbündeten Völker selbst, die um den gemeinsamen Gedanken geschart sind, wissen, daß 
der Triumph des deutschen Imperialismus der Zusammenbruch ihrer Freiheiten sein 
wird. Niemals hat die Geschichte ein solches Schauspiel gesehen." 
Auch derKongreß derVertreter der französischen sozialistischen Par 
teien, der „Nationalrat", der am 14. Juli 1915 in Paris tagte, nahm einstimmig 
eine Resolution an, die das unerschütterliche Vertrauen in die Sache der Verbündeten 
und des republikanischen Frankreich ausspricht. Ein dauerhafter Friede könne nur auf 
der Grundlage des Nationalitätenprinzips geschlossen werden. Wichtiger jedoch sei das 
Verschwinden des brutalsten Imperialismus. Die sozialistische Partei erklärte neuerdings 
ihre Bereitwilligkeit, ohne Vorbehalt am Werke der nationalen Verteidigung und der 
Befreiung Belgiens und der Wiederherstellung des Rechtes für Elsaß-Lothringen mitzu 
wirken, und ihre Entschlossenheit, die Regierung bei der Behebung der Unzulänglichkeit der 
produktiven industriellen Kräfte zu unterstützen. Der Kongreß billigte sämtliche Aktionen 
der Parteileitung und gab ihr Vollmacht, im gleichen Geiste weiterzuwirken. Aus dem 
brieflichen Bericht über den Kongreß, den das russisch-sozialistische Blatt „Nasche Slowo" 
veröffentlicht hat, geht allerdings hervor, daß die von den sozialistischen Vertretern im 
Kabinett Viviani geführte Pariser Parteileitung die einstimmig gefaßte Resolution durch 
setzte, und daß vor allem die Versicherung des Ministers Sembat, Deutschland stehe vor 
der militärischen Katastrophe, die Minderheit verstummen machte. 
Etwas anders lautete nach der „Berner Tagwacht" die Resolution, die am 15. August 
1915 in Paris in der Konferenz des allgemeinen französischen Arbeiterverbandes vor 
gelegt, aber nicht angenommen und veröffentlicht worden ist. Die Resolution war 
von den Gewerkschaften in den einzelnen Städten und Departements unterzeichnet, 
außerdem hatten die Gesamtverbände der Lehrer, Metallarbeiter, Töpfer und Hutmacher, 
die wichtigsten Industrien und Berusszweige Frankreichs, mitunterschrieben. Alle diese 
Verbände hatten die Ansicht ausgesprochen, daß die Beschleunigung irgendwelcher Friedens 
verhandlungen sofort betrieben werden müsse, weil ein großer Teil des arbeitenden fran 
zösischen Volkes des Krieges überdrüssig geworden sei. 
Andererseits ist für die Volksstimmung im allgemeinen, die noch immer daran glaubte, 
daß die Teuerung in den deutschen Städten und die menschenverschlingende Ausdehnung der 
deutschen Fronten den Zusammenbruch Deutschlands beschleunigen würden, die Antwort 
der sozialistischen Blätter aus die Konferenz von Zimmerwald bezeichnend, auf 
der der Syndikalist Merrheim und der Sozialist Bourderon gemeinsam mit schweizerischen, 
deutschen und italienischen Genossen, eine Resolution gefaßt hatten, nach der ein rascher 
Friede geschlossen werden müsse, unter Vermeidung jeder Art von Eroberung und Auf 
rechterhaltung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Demgegenüber erließ die per 
manente Verwaltungskommisston der sozialistischen Partei Frankreichs (0.8. P.), in der 
u. a. Renaudel, Guesde, Vaillant, Compere-Morel, Gustave Herve sitzen, ihrerseits 
ein Manifest, das in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen des nationalen Kongresses 
vom 14 /15. Juli 1914 nicht nur den Wortlaut des obigen verwirft, sondern sich gegen 
das Prinzip solcher Konferenzen überhaupt ausspricht.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.