Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

310 Frankreich während des dritten Kriegshalbjahres 
Staate vorgenommenen Käufe, einzuführen, und durch die Festsetzung eines Höchst 
preises von 30 Franken für den Zentner Weizenmehl ergänzt worden. Diese letztere 
Bestimmung war eine Folge der sozialistischen Enthüllungen über Getreidespekulationen, 
bei denen die Regierung das Opfer gewissenloser Spekulanten geworden war. 
Die befürchtete Mißernte des Jahres 1915 trat denn auch ein; der Ausfall wurde 
von Edmond Thery, dem Direktor des „Economiste Europeen", im „Matin" auf 
20 Millionen Zentner und die dadurch bedingte Notwendigkeit der Goldaussuhr auf 
nahezu 700 Millionen Franken berechnet. Auch die Ernte an Kartoffeln und Gemüsen 
schloß mit einem Minderertrag ab, sodaß die zunehmende Teuerung der Nahrungs 
mittel und Brennstoffe, die sich besonders in Groß-Paris bemerkbar machte, die sozia 
listischen Abgeordneten des Seinedepartements veranlaßte, die Regierung erneut um rasche 
und gründliche Maßregeln zu ersuchen. 
In der Tat war außer der Kohle, die in Frankreich aus den bekannten Gründen 
(vgl. VII, S. 285) eine außerordentliche Preissteigerung erfahren hatte und deren Ausfuhr 
am 9. September 1915 verboten worden war, nach Angabe der „Frankfurter Zeitung" 
(12. XII. 15) „namentlich auch der Zucker, der vor dem Krieg 70 bis 75 Centimes 
kostete, infolge der deutschen Besetzung der wichtigsten Erzeugungsgebiete und der Un 
terbindung der Zufuhr aus Deutschland und Oesterreich aus 1 Frs. 30 das Kilogramm 
gestiegen; die Eier, die für 1 Frs. 50 das Dutzend zu haben waren, kosteten Ende 1915 
2,40 bis 3 Frs. Aehnliche Verhältnisse bestanden auf dem Gemüsemarkt, wo z. B. 
getrocknete Bohnen um über 100 o/g gestiegen waren. Das Pfund guter Butter kostete 
Ansang Dezember 1915 in Paris 3 Frs. und der Doppelzentner Kartoffel in den 
Pariser Zentralhallen, also im Großhandel, 14 bis 22 Frs. 
Die Fleischpreise waren infolge der starken Nachfrage der Militärverwaltung, die 
die Nächstliegenden Hilfsquellen, die algerisch-tunesischen Zufuhren, ausschließlich in An 
spruch nahm, außerordentlich gestiegen. So kostete das Kilogramm Schlachtgewicht von 
Großvieh erster Qualität, nach Angaben der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" 
(23. III. 16) 1914 im Durchschnitt 1,88 Franken, 1915 im Durchschnitt 2,27 Franken 
und am 7. Februar 1916 2,38 Franken; für Hammel lautet die gleiche Preisreihe 2,51, 
2,68, 3,30 Franken; für Kälber 2,43, 2,73, 3,66 Franken und für Schweine 1,66, 2,21, 
3,16 Franken. Durch Krankheit infolge von Mangel an Kupfersulfat drohte nach dem 
„Journal" (7. XII. 15) auch den Reben Frankreichs, die 1915 nur den fünften Teil der 
Weinernte von 1914, etwa 21 bis 22 Millionen Hektoliter einbrachten, eine Katastrophe. 
Der Ackerbauminister Meline setzte sich mit dem Kriegsminister ins Einvernehmen, 
um die zur Verstärkung der landwirtschaftlichen Produktion nötigen Arbeitskräfte frei 
zubekommen, ernannte einen ständigen landwirtschaftlichen Ausschuß, der ihm beratend 
zur Seite stehen sollte und brachte in der Kammer einen Gesetzentwurf ein, der die 
Gemeindevorsteher oder Präfekten ermächtigt, die Verkaufspreise für alle zum Lebens 
unterhalt sowie zu Heizungs« und Beleuchtungszwecken dienenden Waren und Rohstoffe 
festzusetzen, die Waren und Rohstoffe selbst zu requirieren und Strafen für unerlaubte 
Spekulation anzuordnen. Das Gesetz ist am 3. Dezember 1915 von der Kammer einstim 
mig angenommen worden, fand aber in der Presse nur wenig Beisall und war, da die 
Zustimmung des Senats zunächst ausblieb, vorerst ohne Wirkung. 
Inzwischen versuchten die Polizeibehörden und Gemeinden nach Möglichkeit selbständig 
in den Lebensmittelverkauf einzugreifen und Streiks und Schlägereien, wie sie in Brest, 
Paris, Douarnenez, Epinal und anderen Städten vorkamen, zu. vermeiden. Die Pariser 
Polizeipräsektur erließ täglich Lebensmittelpreise, die öffentlich angeschlagen wurden, 
andere Städte wie Annecy, Bar-le-Duc und Bordeaux setzten Höchstpreise fest, Mont- 
lu?on und Orleans suchten durch Zuschüsse, Epinal und Marseille durch öffentlichen Ver
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.