Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die große Offensive zwischen der unterenund oberen Weichsel bis zum Fall von Warschau 169 
Vor ihrem Abzug hatten die Russen alle Gebäude in Brand gesteckt; nur ganz weniges 
war von der Vernichtung verschont geblieben. Alle schönen Offiziershäuser, Kasernen, 
Magazine, Reitbahnen bildeten ein riesenhaftes Ruinenfeld, in dem es noch an vielen 
Stellen glimmte; so in dem massiv gebauten Getreidespeicher, wo 500 Waggons Gerste 
verbrannten. Selbst die Kirche war ausgeräumt worden. Die Bilder wurden aus den 
Rahmen geschnitten und fortgeschafft; leere Behälter von Silbergerät, Meßgewänder, 
Bücher und Urkunden aller Art lagen in einem wüsten Durcheinander aus der Erde. An 
der Kuppel ist ein Loch, wo eine österreichische Granate einschlug; an den Außen 
mauern zahlreiche Spuren von Jnfanteriegeschoffen. Die Kuppel selbst war außen mit 
Zweigen verkleidet worden, damit sie einem großen Baum ähnlich sehe und nicht als 
Zielpunkt den österreichisch-ungarischen Batterien diene. 
Die Zitadelle und die Forts hatten wenig gelitten. Die Forts waren nicht sehr gründ 
lich gesprengt worden, die Zitadelle hatte von der Beschießung nur vereinzelte Treffer 
abbekommen, alle Jnnengebäude aber hat das Feuer vernichtet. In den Vorratsräumen 
ist eine immerhin noch ganz ansehnliche Beute gesunden worden, Lafetten, Geschützteile 
und Munition in großen Mengen; viel Kriegsmaterial wurde auch an Plätzen, die als 
„Massengräber" bezeichnet waren, vergraben entdeckt, so bei Demblin vierzehn groß 
kalibrige Geschütze, Munition und Gewehre. 
Der Vormarsch auf Warschau und der Einzug in die Stadt 
Vom 19. Juli bis 5. August 1915 
Die Heeresgruppe des bayerischen Feldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern, die 
den Angriff in Richtung auf Warschau durchzuführen hatte, erschien am 19. Juli 1915 
mit ihren Vortruppen vor der zum strategischen Brückenkopf für Warschau ausgebil 
deten starken russischen Linie Blonie—Grodzisk—Grojec, in die sich die Russen Mitte Juli 
1915 aus den Stellungen an der Bzura und Rawka zurückgezogen hatten. Vor dem ge 
steigerten Druck der deutschen Kräfte mußten die Russen bereits am 20. Juli ihren linken 
Flügel derart zurücknehmen, daß er sich bei Gora-Kalwarja, etwa 23 Kilometer südlich des 
Befestigungsgürtels von Warschau an die Weichsel anlehnte und über Nadarzyn, süd 
lich der Bahnlinie Warschau—Skierniewice den Anschluß nach Blonie gewann, während 
sich der rechte Flügel an den Fortsgürtel von Nowo-Georgiewsk anlehnte. Um jbie 
besonders starke russische Stellung bei Blonie—Grodzisk von Süden her zu umfassen 
und die Verbindung zwischen den Festungen Warschau Md Jwangorod zu zerstören, 
verlegte die deutsche Heeresleitung das Schwerggewicht ihres Angriffs aus den eigenen 
rechten Flügel der unter fortwährenden Kämpfen am 24. Juli Gora-Kalwarja erreichte. 
Am gleichen Tage wurden die russischen Stellungen nahe westlich Blonie genommen und 
südlich der Festung einige nur noch 15 Kilometer vom Fortsgürtel entfernt gelegenen 
Ortschaften erobert. Nach den Kämpfen vom 27. und 28. Juli westlich Blonie und bei 
Gora-Kalwarja trat zunächst eine Pause im deutschen Vormarsch ein, da die Entwick 
lung der in bezug auf Warschau umklammernd wirkenden Operationen der Nachbar 
heere am unteren Narew und gegen Jwangorod abgewartet werden mußte. Deutsche 
Luftschiffe, die mit Erfolg die Rückzugsstraßen ^des russischen Heeres östlich Warschau 
bombardierten, konnten denn auch jetzt schon den Abtransport großer Heeresmassen aus 
dem rechten Weichselufer nach Osten melden und feststellen, daß die Ruffen wohl nicht 
mehr an ernsthaften Widerstand in Warschau dächten. 
Ueber den Vormarsch des Zentrums der Verbündeten unmittelbar vor dem Fall von 
Warschau berichtete Oberst Edwin Emerson, einer der Kriegskorrespondenten der „Washing 
ton Post", nach der „Continental Times" vom 6. August 1915: „Den größten Eindruck 
aus uns alle machte die zuversichtliche Stimmung der deutschen Truppen, die über
	        
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