Von der deutschen Verwaltung in Belgien 265
erfreut sich das Budget des Okkupationsgebietes sogar einer wirklichen Entlastung.
Weggefallen sind ferner die 75 Millionen Heereskosten der Friedensjahre, außerdem
das Ministerium des Aeußern mit 4Vs, der Kolonien mit l l U, die Ausgaben der könig
lichen Zivilliste mit 3^/z und diejenigen für das Parlament mit 1V 2 Millionen.
Die stärkste Verschiebung erfuhr der Staatshaushalt des besetzten Belgien durch die voll
kommene Ausscheidung des Verkehrsministeriums, also des Budgets der Staatsbahnen und
des Post- und Telegraphenwesens. Im Rechnungsjahr 19L2 lieferten die Staatsbahnen
einen Betriebsüberschuß von 101 Mill. (bei 330 Mill. Einnahmen und 229 Mill. Aus
gaben). Nach Abzug der außerordentlichen Ausgaben blieben etwa 70 Millionen zur
Verzinsung der Staatsschuld übrig, von der die Eisenbahnschuld in der Höhe von zwei
Milliarden einen Teil bildet. Eine bloße Frage der Buchführung ist diese Ausscheidung
allerdings nicht. Denn die Eisenbahnen sind während der Okkupation in den Betrieb
der deutschen Feldeisenbahnen ausgenommen, liefern aber keinerlei Ueberschüsse an den
belgischen Staat ab. Bei den gedrückten Wirtschaftsverhältnissen wäre an eine Ren
tabilität des Betriebs kaum zu denken. Man kann von der deutschen Leitung um so
weniger verlangen, daß sie Geld dahin abführe, als die Belgier die Bahnanlagen viel
fach zerstört haben, viel rollendes Material nach Frankreich verschleppten (vgl. III,
S. 226) und der Betrieb mit deutschem Personal aufrecht erhalten wird. . . .
Bei Post und Telegraph liegen die Dinge genau so. Die Post ist in erster Linie
von der deutschen Reichspost mit deutschem Personal neu eingerichtet worden. Die
belgischen Postbediensteten ließen sich nur langsam, und auch Ende 1915 noch nicht voll
zählig, zum Wiedereintritt bewegen. Für das Jahr 1915 ist aus den allgemeinen Staats
mitteln ein Zuschuß von 20 Millionen Franken angesetzt worden. Denn die Post wird
unter deutscher Leitung als belgische Post betrieben, die auch Deutschland gegenüber an
den Bestimmungen des Weltpostvereins und den bisherigen Verträgen festhält.
Daß die Einnahmen stark zurückgehen, ist selbstverständlich. Die direkten Steuern
sanken allerdings mit Ausnahme der Gewerbesteuer nicht sehr stark. Die größten Ver
luste ergaben sich bei den indirekten Abgaben. Die Zölle lieferten 14 statt 60 Millionen,
die inneren Verbrauchssteuern 52 statt 80 Millionen . . . Eine Reform des Steuer
wesens könnte wohl bessere Einnahmen schaffen. Aber die Kriegszeit verbietet an sich
schon, selbst wenn die Haager Konvention es gestattet, das gewohnte System auf neue
Grundlagen zu stellen. Was an Neuerungen eingeführt wurde, ist die Steuer
aus Abwesende (vgl. VII, S. 262), von der man etwa 3Va Mill. Franken erwartete.
Da die Steuer jedoch als ein Druckmittel gedacht war, das die ohne Grund im
Auslande sich aufhaltenden Belgier zur Heimkehr veranlassen soll, wird sie eine Wirkung
auch erreicht haben, wenn sie die vorgesehenen Summen nicht einbringt. Die Hälfte des
Ertrags soll übrigens den Gemeinden überwiesen werden.
Die Kosten der deutschen Verwaltung — ohne die Ausgaben für das Besetzungs
heer, die aus der monatlichen Kriegskontribution von 40 Millionen bestritten werden — sind
mit 4V 2 Millionen ins Staatsbudget eingestellt. Ihr Haushaltsplan für 1915 ent
spricht selbstverständlich einer Notwirtschast. Im ganzen und großen, also ohne die oben
erwähnten weggefallenen Ausgaben, ist er eine Wiederholung des Budgetvoranschlags
von 1914. In den meisten Ministerien fallen nur die Kosten für die obersten Zentral
behörden weg, die ins Ausland geflohen sind. Im Schulwesen, im Gerichtswesen,
innere Verwaltung, in der Auszahlung der Pensionen, auch im Kultusbudget, das
nahezu 6V2 Millionen Zuschüsse an die verschiedenen Kulte, darunter über 6 Millionen
an die katholische Kirche, vorsieht, wurde nichts Wesentliches gestrichen. Ueberhaupt
funktioniert der belgische Staatsorganismus vollkommen in dem Zustande, in dem er
von der fliehenden belgischen Regierung zurückgelassen wurde . . ."