Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

250 Die Ereignisse an der We st front im dritten Kriegshalbjahr 
Ein besonderes Kapitel beansprucht die Tätigkeit des deutschen Arztes für 
die Franzosen im okkupierten Gebiet. Die Umwandlung von allerlei vorhandenen Bauten 
zu Lazaretten und Spitälern für die Verwundeten und Kranken, die Organisation der 
Pflege durch Schwestern und Privatpflegerinnen, die Abhaltung von öffentlichen Sprech 
stunden in den zu Polikliniken hergerichteten Sälen und Höfen, die Verteilung von 
Medikamenten an Unbemittelte oder Leidende, die keine französische Apotheke aufsuchen 
können, die Vornahme der Operationen und der Besuch in den verschiedenen Stationen seines 
Spitals, sind Arbeiten, die der deutsche Arzt im Nebenamt leitet; denn eigentlich ist er ja für 
die deutschen Truppen da, deren ärztliche Aussicht und Behandlung ihm obliegt. 
„Glücklicherweise machen die es mir möglichst leicht, es sind immer nur ganz wenige 
von ihnen krank", sagte ein deutscher Arzt lachend dem Kriegsberichterstatter W. Scheuer 
mann („Norddeutsche Allgemeine Zeitung" 6. H. 16): „sonst würde ich es nicht schaffen 
können, obwohl ich von 7 Uhr morgens bis manchmal spät in die Nacht fast ohne 
Unterbrechung tätig bin." 
So waren in einem vgn Deutschen errichteten Hospital von Beginn der Benützung 
bis Ende Januar 1916 über 25000 französische Konsultationen bei dem deutschen 
Militärarzt erfolgt, alle grundsätzlich unentgeltlich. Nur für die Verköstigung und 
Verpflegung im Spital sind täglich drei Franken an die selbst recht armen Schwestern 
zu zahlen, die aber bei Mittellosen von der Gemeinde aufgebracht werden. Die Dank 
barkeit ist groß. Allerdings im Ansang, als noch ein Teil der Bevölkerung gegen 
den anderen einen heimlichen Terrorismus ausübte und allen denen, die sich mit den 
„Deutschen" freundlich stellten, nach der Rückkehr der Franzosen fürchterliche Abrechnung 
versprach, wagten die Kranken nur heimlich zu kommen und scheuten sich, ihre Dankbar 
keit öffentlich zu bezeugen. „Eines Tages aber," erzählt W. Scheuermann, „trat ein 
Vater, der sein gesund gewordenes Kind aus dem Spital abholte, mit diesem in die 
von Besuchern überfüllte Poliklinik, hob den Knaben hoch und ries: „Man mag gegen 
die Teutschen sagen, was man will. Ich sage nichts gegen sie. Mir haben die deutschen 
Aerzte meinen Jungen gerettet, und dafür danke ich ihnen mit lauter Stimme, öffent 
lich!" Das war eine Kriegserklärung gegen den Terror." 
Für die Toten sind überall Friedhofanlagen geschaffen und Denkmale errichtet worden. 
So erhebt sich auf der Südwestfläche des Hügelrückens bei Noyon vor dem zu einem 
Totenhain gewordenen Wäldchen von La Marfee zur Erinnerung an die hier beerdigten 
1024 Deutschen und 1773 Franzosen, die bei der Erstürmung des von den Franzosen 
zäh und ausdauernd verteidigten Maasübergangs am 27. August 1914 gefallen sind, ein 
gemeinsames Denkmal, ein aus gelbem Sandstein errichteter Obelisk. Und auf dem 
Friedhof von St. Quentin, der bei Kriegsbeginn in Gebrauch genommen werden sollte 
und dann in Gegenwart des deutschen Kaisers als Begräbnisstätte für Deutsche und 
Franzosen eingeweiht wurde, ist ein Denkmal errichtet worden, zur Erinnerung an die 
in den Spitälern an ihren Wunden gestorbenen französischen und deutschen Soldaten. 
Die Einwirkung der Franzosen und Engländer auf die Gebiete hinter der 
deutschen Westfront 
Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" (12. VIII. 1915) wurde halbamtlich ge 
schrieben: „In der Entente-Presse und von einem guten Teil der neutralen Stimmen 
wird noch fortgesetzt Deutschland die Beschießung der in der Kampflinie liegenden Städte 
als ein Akt unerhörter Barbarei vorgehalten. Wie einst nach dem ersten Bombarde 
ment von Reims der französische Minister des Aeußeren der Welt mitteilte, daß die 
deutschen Truppen, „ohne sich auch nur aus den Schein militärischer Notwendigkeit be 
rufen zu können, einzig aus Zerstörungswut" zu dem Angriff übergegangen seien, so
	        
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