Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

246 Die Ereignisse an der Westfront im dritten Kriegshalbjahr 
Es ist nicht ganz ohne Humor, daß die deutsche Obrigkeit sich auch so dicht hinter 
der Front damit abgibt, einen geregelten Gang der Dinge einzuführen und da bis zu 
Kleinigkeiten herabzusteigen. Es ist, als ob das Leben, dem gewaltigen Kamps in einigen 
Kilometern Abstand zum Trotz, ruhig und wie sonst fortginge. Die Deutschen regeln alles. 
Die Kaffeehäuser und kleinen Wirtschaften (Estaminets) z. B. sind in verschiedene 
Gruppen geteilt, die abwechselnd geöffnet sein dürfen: in dem einen Monat diese Gruppe, 
im andern jene. Das ist für den an seinen Stammtisch gewöhnten Flamen unbequem, 
aber nicht verkehrt. Viel wird für Hygiene getan. Ueberall sieht man angeschlagen, 
daß Straßen und Rinnsteine sauber zu halten seien und regelmäßig gereinigt werden 
müßten, ungewohnte Dinge für manchen Flamen ... Und noch ein Beweis, wie weit die 
Sorgen der Deutschen gehen: in verschiedenen Dörfern ist angeschlagen, daß die Jungen 
unter 16 Jahren, die man beim Rauchen antrifft, eingelocht werden sollen." 
Besonders rege ist der Verkehr in den flämischen Städten und Städtchen, die durch 
den Sitz einer militärischen Kommandantur zu einem wirtschaftlich wichtigen Faktor 
hinter der Front geworden sind. Wie rasch ein derartiges Kommando anwuchs, schildert 
der Kriegsberichterstatter Hermann Katsch in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" 
(2. II. 1916) an einem Beispiel folgendermaßen: 
„Als der Kommandant eingesetzt wurde, bestand das Kommando aus vier Offizieren 
und Beamten, zwei Schreibern und vier Pferdeburschen. Heute umsaßt das Verzeichnis 
der zu dieser Kommandantur gehörigen Personen sechs Folioseiten. Außer einem Wach 
kommando und Gendarmerie gehört eine lange Reihe von Offizieren, Militärärzten, 
Feldgeistlichen, Unteroffizieren und Mannschaften dazu. Beim Durchblättern des Ver 
zeichnisses kann man gewahr werden, worauf sich die Sorgfalt des militärischen Stadt 
verwalters ausdehnen muß. Die Lesehalle beaufsichtigen vier Lazarettpfarrer, das 
Militärbrausebad, die Entlausungsanstalt und Ortskrankenstube ein Stabsarzt, die Gas 
anstalt hat einen Leutnant zum technischen Leiter, der Militärfriedhof seinen Kurator.... 
Von besonderer Wichtigkeit sind die Anstalten, die der Versorgung der fechtenden 
Truppe an der Front dienen. Da ist ein Feldb e kl eidun gs amt eingerichtet worden 
zur Wiederherstellung von Gebrauchs- und Ausrüstungsgegenständen und Kleidung, da 
werden in einer Fahrradreparaturanstalt täglich 80 bis 100 Fahrräder gebrauchs 
fertig wiederhergestellt. Unbrauchbar gewordene Gewehre werden in einer Büchsen 
macherei instand gesetzt. In einer Klempnerei werden Kochgeschirre, die meist Ge 
wehrschüsse aufweisen, Trinkgeschirre und beschädigte Seitengewehre repariert. Ein 
riesiges Stofflager enthält alles für Leib- und Bettwäsche, Arbeits- und Schleichanzüge, 
Uniformen sowie Mäntel Notwendige an Stoffen... Eine große Schuhmacherei 
mit 45 Arbeitern bringt täglich 200 Paar Stiefel in Ordnung. In einer Näh 
stube und Schneiderwerkstatt klappern 60 Maschinen wie in einer Fabrik. Hier 
sind Frauen beschäftigt, die außer Tagelohn 40 Pf. täglich für die Abnutzung ihrer 
Nähmaschinen erhalten... In einer Waschanstalt wird die fertiggestellte Leibwäsche 
mit einer Kreosollösung getränkt, die sich als bestes Mittel gegen Ungeziefer erwiesen 
hat. 70 robuste Fläminnen, alle mit unechten Brillanten auf den Zelluloidhaarkämmen, 
arbeiten hier; 2500 Wäschestücke werden hier täglich gewaschen und in Zentrifugen ge 
trocknet. ... Daß auch die Kunst nicht fehle, ist eine Malerwerk statt eingerichtet worden, 
die im Bunde mit einer Tischlerei Schilderhäuser, Jnschriftentafeln für Verkehr und 
Quartier, Büromöbel und Grabkreuze herstellt. In der Sattlerei werden Leder 
ausrüstungsgegenstände, Geschirr« und Wagenteile, Wagenplane instand gesetzt und 
hergestellt." All diese Betriebe mußten aus Scheunen und Schuppen geschaffen werden, 
sind nach den Vorschriften der deutschen Gewerbeordnung eingerichtet und mit um 
fangreichen Feuerlöscheinrichtungen versehen.
	        
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