Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Vom französischen Heer 
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Sprengpunkt aus. Da sich aber zeigte, daß eine Anzahl der nur mit Aufschlagzünder 
versehenen Granaten bei weichem Boden am Ziele nicht abprallte, sondern eindrang und 
nicht zerplatzte, hat man sich zu der Herstellung dieses neuen, auch als Zeitzünder ver 
wendbaren Doppelzünders entschlossen. 
Um die Jahreswende 1915/1916 erschien nun an der Westfront eine neue fran 
zösische 7 5 ww-Feldkanone, die nach den Ausführungen eines Fachmannes im 
„Schwäbischen Merkur" (22.1. 1916), „die großen Vorzüge ihrer älteren Schwester noch 
übertreffen sollte. Die Wirkungsfähigkeit eines Geschosses wird durch die Geschwindigkeit 
in viel höherem Maße gesteigert als durch das Gewicht. Schon die bisherige französische 
Feldkanone hatte infolge ihrer hohen Anfangsgeschwindigkeit von 529 Metersekunden eine 
große Schußweite, die den Durchschnitt von 7 Kilometer der gebräuchlichen Feldkanonen 
beträchtlich übertrifft. Mit Brennzünder ist ihre größte Schußweite 6800, mit Auf 
schlagzünder 8500 Meter. Die Geschoßgeschwindigkeit ist außer von anderen Faktoren 
auch von der Länge des Rohres abhängig. Allgemein, aber für den Laien deutlich kann 
man sagen: Je länger das Rohr, desto größer Geschoßgeschwindigkeit und Schußweite, 
oder anders ausgedrückt: Je länger das Geschoß unter der Einwirkung der Pulvergase 
steht, desto weiter fliegt es hernach. Die Steigerung der Rohrlänge ist freilich nach oben 
begrenzt durch die sogenannte Längsfestigkeit des Rohrmaterials. Durch die Erschütte 
rungen beim Schuß wird das Rohr in schwingende Bewegungen versetzt, die bei langen 
Geschützen so stark sein können, daß sie mit bloßem Auge erkennbar sind. Mangelnde 
Längsfestigkeit sagt man bekanntlich den großen Schiffs-Drahtgeschützen der Engländer 
nach. Immerhin verfügen wir heute über Waffenstähle mit so hervorragenden Festigkeits 
eigenschaften, daß moderne Geschützrohre nicht einmal dann bersten, wenn eine Granate 
vorzeitig im Rohr selbst krepiert. Man kann also heute die Länge der Geschützrohre 
im Verhältnis zu ihrem Kaliber, d. i. ihrem inneren Rohrdurchmesser, schon recht be 
trächtlich ausdehnen. Schon die bisherige französische Feldkanone fällt durch ihre Länge 
von 36 Kalibern aus gegenüber den nur 27 des deutschen Geschützes. Die neueste fran 
zösische Feldkanone weist gar eine Länge von 45 Kalibern auf und läßt mit ihrer Rohr 
länge von nahezu 3,5 Meter alle sonst üblichen Feldkanonen hinter sich. Dem entsprechend 
muß nach dem oben Gesagten auch ihre Mündungsgeschwindigkeit größer sein; vielleicht 
beträgt sie bis 600 Meter gegenüber 529 Metern beim bisherigen Geschütz. Die unge 
wöhnliche Länge des Rohres bringt allerdings auch den Nachteil mit sich, daß das neue 
Geschütz noch schwerer ist als die alte schon ziemlich schwere Feldkanone und daß die 
Rohrmündung im Bewegungskrieg, wo es oft über Stock und Stein geht, bei Boden 
unebenheiten leicht aufschlägt. Da das Kaliber 7,5 Zentimeter beibehalten ist, wird auch 
das Geschoß das gleiche geblieben, dagegen die Kartuschenladung verstärkt worden sein. 
Der bewährte Rohrrücklauf ist auch bei dem neuen Geschütz beibehalten, nur ist der 
Bremszylinder nicht, wie sonst bei Kanonen säst allgemein üblich, unter dem Rohr, 
sondern darüber angebracht. Diese nur bei Mörsern und ganz schweren Haubitzen ge 
bräuchliche Anordnung bezweckt die Tieferlegung des Geschützschwerpunkts. Eine auf 
fallende Abweichung zeigt auch der neue Schutzschild. Er reicht nur noch bis zur Achse, 
der untere Teil fällt vollständig fort, während der obere beträchtlich höher geworden 
und nach hinten geneigt ist. Zwei Streben geben ihm Halt am Rohr. Man ist drüben 
wohl von der Erfahrung ausgegangen, daß die Geschütze in der modernen Feldschlacht 
fast immer so rasch wie möglich eingegraben werden, somit der unter der Achse liegende 
Teil sortsallen kann; anderseits ließen wohl die Verluste durch von oben kommende 
Schrapnellkugeln und Sprengstücke eine Erhöhung des Schutzschildes geboten erscheinen. 
Außer physikalischen und Waffentechnischen Ueberlegungen haben also auch noch die Er 
fahrungen dieses Krieges bei dem neuen Geschütz Gevatter gestanden."
	        
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