Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Vom Luftkampf beiderseits der We st front 195 
nur ein Gewehr gehabt! Mehrmals wechselten die Flieger über den Zug hin, um ihn von beiden 
Seiten unter Feuer zu nehmen. Durch Scheiben und Wände schlugen die Geschosse und schon floß 
im Wagen das Blut. Da fühlte ich mich in meiner Ecke auch nicht mehr ganz sicher genug und 
fand es klüger, den Zug zu verlassen. Dies gelang mir wie noch einigen Passagieren ganz ordent 
lich, weil der Führer, sei es nun aus kluger Ueberlegung oder wegen einer Verwundung, nun sehr 
langsam fuhr. Da ließen denn auch die Flieger, denen dies Tempo weniger zusagen mochte, vom 
Zuge ab und verschwanden bald gegen Donaueschingen hin. Hinter dem Zuge her gelangten wir 
zu Fuß nach Villingen, allwo die Verletzten in Pflege genommen wurden. In Donaueschingen er 
fuhren wir, daß die Stadt mit acht Bomben belegt worden sei. Nur eine verursachte jedoch einigen 
Schaden, indem sie auf ein Wohnhaus fiel, das Dach und alle Böden durchschlug und einen Brand 
verursachte. Die Bewohner waren alle außer dem Hause, und des Feuers wurde man bald Herr." 
Der „Frankfurter Zeitung" (17. IX. 15) schilderte ein Augenzeuge den Vorfall in gleicher Weise 
und schloß: Von einer Bombardierung der Bahnhöfe Donaueschingen und Marbach, wie es im fran 
zösischen Bericht heißt, kann gar nicht die Rede sein. In Marbach war überhaupt kein Flieger, sie 
machten in Klengen schon kehrt." 
22. September 1915. 
Das stellvertretende Ge ne ralkommmando gibt bekannt: Heute 8 Uhr 15 vormittags, 
fand ein Angriff feindlicher Flieger mit deutschen Kennzeichen auf Stuttgart statt. Es wurden 
mehrere Bomben auf die Stadt abgeworfen. Vier Leute wurden dadurch getötet und eine Anzahl 
von Militär- und Zivilpersonen verletzt. Der Sachschaden ist ganz unbedeutend. Die Flieger, von den 
Abwehrkommandos beschossen, entfernten sich gegen 8 Uhr 30 vormittags in südlicher Richtung. 
Auf die Benützung deutscher Abzeichen und den zufälligen Umstand, daß kurz zuvor — 7 Uhr 40 
vormittags — den zuständigen militärischen Stellen der Anflug eines deutschen Fliegers gemeldet 
worden war, ist es zurückzuführen, daß die Bevölkerung erst verhältnismäßig spät gewarnt werden 
konnte. 9 Uhr 30 vormittags erschien der vorher angesagte deutsche Flieger über Stuttgart, wurde kurz 
beschossen, ehe er als deutscher Flieger sicher zu erkennen war, und landete sodann unverletzt in 
der Nähe der Stadt. 
Aus der französischen Abendmeldung: Als Repressalien auf die Beschießung offener 
Städte und der Zivilbevölkerung in Frankreich und in England durch die Deutschen hat eine Gruppe 
von Flugzeugen heute morgen Stuttgart, die Hauptstadt von Württemberg, beschossen. Es wurden 
etwa 30 Bomben abgeworfen auf das Kgl. Schloß und auf den Bahnhof. Unsere Flieger wurden 
auf ihrer langen Fahrt an verschiedenen Punkten beschossen. Sie sind unverletzt an ihren Ausgangs 
ort zurückgekehrt. 
Der „Schwäbische Merkur", der diese französische Meldung schon am 23. IX. 15 veröffentlichen 
konnte, schrieb dazu: „Wir haben durch den leidigen Fliegerüberfall auf Stuttgart einmal Gelegen 
heit, unmittelbar die Zuverlässigkeit der französischen Berichte zu erproben. Davon, daß weder 
der Königspalast noch der Bahnhof irgendwie auch nur entfernt getroffen wurde, kann sich jedermann 
in Stuttgart auf den ersten Blick überzeugen." 
Nach späteren halbamtlichen und privaten Bekanntmachungen hat sich die Zahl der Todesopfer 
auf acht erhöht. 
Sofort nach der Nachricht von dem Fliegerüberfall auf Stuttgart sprachen der König und die 
Königin vo n Württemberg von Bebenhausen aus dem Oberbürgermeister Lautenschlager tele 
graphisch ihre Entrüstung über den schändlichen Angriff aus. Auch Kaiser Wilhelm sandte ein 
Beileidtelegramm. 
Die Pariser Zeitungen bestritten, wie die „Frankfurter Zeitung" (27. IX. 15) berichtete, daß die 
Flieger, die den Angriff auf Stuttgart ausführten, ihre Apparate mit deutschen Abzeichen versehen 
hätten. Sie sollen das französische Abzeichen deutlich erkennbar geführt haben und seien übrigens 
sowohl auf der Hinfahrt wie auf der Rückfahrt beschossen worden. 
Aus der „Times" vom 1. November 1916 verdient ein Bericht festgehalten zu werden, der die 
Absicht, das Stuttgarter Schloß mit Bomben zu belegen, offen zugibt. Er stammt aus der „New 
Jork Tribune" und ist von einem französischen Flugoffizier, der an dem Luftangriff auf Stuttgart 
teilgenommen hatte, dem Pariser Vertreter dieser Zeitung erstattet worden. Man liest da zunächst 
eine breite Schilderung der Vorbereitungen zum Angriff, weiter wie die Fahrt über ein mit Nebel 
bedecktes Gebiet ging, bis kurz vor Stuttgart das Wetter klar wurde und die Stadt schmuck und
	        
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