Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

192 D i e Ereignisse an der West front im dritten Kriegshalbjahr 
mit dem Verbandplatz, den Pionierdepots, der Förderbahn usw. Nun gings also 
los: Da machte die Ablösung Schwierigkeiten, dort fragte einer nach Leuchtmunition, 
jeder der Spezialoffiziere brauchte seine Arbeitsmannschasten, bei einem waren die 
Kohlen ausgegangen, beim andern das Holz, dem dritten war die Feldküche ausgeblieben, 
in der Kaffeeküche ein Rohr geplatzt. Dazwischen meldet sich ein Artilleriebeobachter — 
alle drei Stunden find ausführliche Meldungen ans Regiment fällig. Dazu schießt 
es auch, Munition muß aufgefüllt werden, Kommandos verlaufen sich, Verluste treten 
ein, Patrouillenaufgaben kommen und müssen berichtigt werden. Lange Befehle über 
Bereitschaft und Gasbereitschaft müssen hinaus, das Pioniermaterial muß angefordert 
werden, die Förderbahn versagt, ein Minenstollen ersauft. Dazwischen streckt einem einer 
einen Teller Suppe unter die Nase, ein General meldet seinen Besuch, die Division will 
die Güte und Zahl der Betonunterstände wissen, das Korps die Stärke der Draht 
hindernisse. Plötzlich schießt die eigene Artillerie zu kurz, ein Telephondraht wird ab 
geschossen, um eine Patrouille entsteht ein Mordsgeschieße. Also es war ein Betrieb, 
daß man seine Freude haben konnte. Aber wir waren doch froh, als wir nach dem 
dritten Tag abgelöst wurden. 
Allerlei Heiteres aus dem Feld 
Ein Schwabe an der Front in Frankreich hat allerlei lustige Anekdoten gesammelt 
und in einem Feldpostbriefe nach Hause berichtet. Eine Auswahl davon ist im „Stutt 
garter Neuen Tagblatt" (6. V. 15) veröffentlicht worden; einige mögen hier folgen: 
„Einer unserer Unteroffiziere ist ein biederer Gipsermeister im Zivilleben. Dem Regi 
mentskommandeur wird ein Unterstand gebaut, einen Tag unser Unteroffizier mit einer 
Anzahl Leute, am andern Tag abwechselnd ein Bautechniker, der Gefreiter ist. Wie der 
Unteroffizier wieder daran kommt, sieht er, daß der Gefreite alles weggerissen hat. Er 
ist empört, sucht am Abend den Missetäter aus und im Vollgefühl seiner höheren Charge 
und im Bewußtsein seiner zivilen Tätigkeit haucht er ihn furchtbär an. Aber der Ge 
freite will eben auch was vom Bauen verstehen und als er entgegnen will, sagt ihm 
der Unteroffizier gebieterisch: „Wenn's mit mir schwätzt, hälscht Gosch, verstand«?" 
Ein Kanonier ist im Zivil Wirt im Schwarzwald. Als ich eine Auszeichnung be 
kam, schreibt er an seine Familie: „Werte Angehörige, heut hat unser Geschützführer 
eine Auszeichnung bekommen, der hats aber au verdient. Der hat mich kürzlich so her 
gerichtet, weil ich zu viel trunken hatte, daß ich jetzt keinen Alkohol mehr trinke, ihr 
könnts bekannt geben." 
Einer unserer Alten kommt krankheitshalber zurück. Alle an ihn noch eintreffenden 
Pakete soll ich für mich verwenden. Ich lehne ab. Aber wenn eines kommt mit Geld, 
das müsse ich wenigstens annehmen. Natürlich lehne ich es noch bestimmter ab und 
verspreche zu sorgen, daß alles an ihn zurückgesandt wird. Da bittet er mich aber, 
dann wenigstens postlagernd, denn wenns heim kommt, habe er ja doch nichts davon, 
bis dorthin sei ja seine Alte sicher wieder s'gleiche „Ripp". 
Wir werden verlegt. Im neuen Stall fühlen sich die Pferde noch nicht recht daheim. 
Eins dreht sich hin und her, bis der Fahrer es mit den Worten abfertigt: „I kann 
dir ja, wenn ders net paßt, a Karusel bau« lass«, du Ochs." 
Einer unserer ältesten Landstürmler bricht den Arm. Ich bringe ihn ins Lazarett 
und helfe den Verband sofort anlegen. Er klagt und jammert. Alles was wir tun 
ist nicht recht; er verstehts viel besser, er hat ja vor 25 Jahren, als er noch aktiv war, 
einen Kurs als Hilfskrankenträger mitgemacht. Plötzlich scheinen sich die Bruchenden ver 
eint zu haben. Er atmet aus und sagt zum Arzt: „Halt, so gehts, jetz ischts recht, 
etzt hats a Schnäpperle do."
	        
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