Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die große Offensive südöstlich der oberen Weichsel bis zum Fall von Warschau 153 
Droben bei den Russen sieht es noch aus wie unmittelbar nach der Schlacht. Hunderte 
bleicher Männer liegen hier auf den Brachen, im schütteren Hafer, in den breite Gassen 
getreten sind, in den Lupinen. Es sind durchweg körperlich erstklassige Menschen, junge 
Leute in den Jahren aktiven Dienstes, wahre Athleten, bärtige Reservisten dann im 
Mannesalter — etwa Dreißiger. Hunderte von Gefallenen liegen hier auf wenigen hundert 
Metern Raum vereint—sie erzählen, trotzdem ihre blaffen Lippen stumm sind, durch ihre Lage 
und Haltung, was sich zugetragen, als sie verschieden. Der Hauptgraben weist nur wenige 
Verwüstungen und Tote aus- Er scheint nicht ernstlich verteidigt, sondern, als der Angriff 
schließlich an ihn kam, fluchtartig geräumt worden zu sein. Man sieht eine Menge 
Material, wie es die Russen bei hastigem Rückzug regelmäßig von sich werfen, um 
schneller laufen zu können: Gewehre, Patronengürtel, Mäntel, Kochkessel, Proviant, 
Spaten. Die Toten weiter vorn haben Ausrüstungsstücke und Waffen noch durchweg 
bei sich. Als sie fielen, war der Wille der Truppe zum Widerstand noch keineswegs 
gebrochen. Ganz im Gegenteil; sie sind offenbar im Gegenstoß gefallen. Aus ihrer 
Hauptstellung heraus haben sich die Russen den Hannoveranern entgegengeworsen. 
Tote bezeichnen den Weg ihres Vorgehens; unser Feuer nötigte sie, sich nach kaum 
100 Metern wieder einzugraben. Der so entstandene zweite Graben ist von uns mit 
Artillerieseuer ausgiebig belegt worden, noch ehe er fertig war; viele seiner Verteidiger 
sind, den kurzen Spaten in der Hand, gefallen. Aus ihm heraus wurde dann aber 
mals zum Sturm vorgegangen. Wieder hieß es, sich an 100 Meter weiter vorn ein 
graben. Doch ist der Feind hier nirgends mehr über die ersten Spatenstiche hinaus 
gekommen. Unser Infanterie- und Artilleriefeuer machte gemeinsam alle Tapferkeit 
zunichte. Einer blieb neben dem andern, und die Flucht begann. Die ersten fort 
geworfenen Ausrüstungsstücke liegen hier herum. Alle Augenblicke ruhen zwei Tote in 
einem Schützenloch; der eine, der schaufelte, der andere, der schoß. Viele der Gebliebenen 
haben Granatverletzungen und einen Gewehrschuß zugleich erhalten. Manche das Jn- 
fanteriegeschoß, nachdem sie das Verbandpäckchen zur Hand genommen, Arm oder Bein, 
die Schrapnellkugel oder Granatsplitter getroffen hatte, zu verbinden. Es war ein 
tapferer Gegner, mit dem die Hannoveraner auf der Höhe 280 zu fechten hatten." 
Aus einem Reiterbrief 
„Wir Kavalleristen sind in diesem Feldzug tatsächlich „Mädchen für alles" geworden," 
erzählt ein deutscher Kavallerieoffizier in einem in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" 
veröffentlichten Feldpostbrief, „und ich wüßte nichts, was wir nicht schon machen mußten. 
Die Zerstörung einer Eisenbahnlinie war auch mal wieder so ein Kunststück. Während sich 
ein Teil unserer Division, abgesessen, noch mit den Russen herumbalgte, rechts einige Kilo 
meter von uns ein heftiger Kampf tobte und über uns zwei russische Flugzeuge uns mit Bomben 
traktierten, rissen unserer Leute die Schienen auf, sprengten einige kleinere Brücken und 
Uebergänge und zertrümmerten, was nicht niet- und nagelfest war. Die Hauptlinie und 
zwei Nebenlinien mußten daran glauben. Mitten im schönsten Arbeiten brauste ein 
endlos langer Zug um die Ecke, und da es zum Bremsen zu spät war, entgleiste er 
wuchtig aus der aufgerissenen Strecke. Es war ein Truppentransport- und Munitions 
zug, der von Jwangorod kam und nach Brest-Litowsk wollte, und der uns auf diese 
Art und Weise in die Hände siel. Nachdem der erste Schrecken vorüber war, versuchten 
die im Zug befindlichen Truppen Widerstand zu leisten, doch sahen sie bald das Nutzlose 
ihres Beginnens ein und streckten die Waffen. Außer 800 Mann und sieben Offizieren 
erbeuteten wir eine Unmenge Munition und Lebensmittel, meist Konserven und Heringe 
in Fässern, und 60 Stück Rindvieh. Der Zug bestand aus 83 Wagen, die uns auch 
willkommen waren.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.