Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

28 D i e Ereignisse an der We st front im dritten Kriegshalbjahr 
fliehen. Als Bertin, nachdem er seine Aufgabe vollendet hatte, den Apparat seines 
Kameraden brennen sah, landete er trotz der Gefahr und trotz seiner Wunden noch 
mals, nahm Boyer als Passagier zu sich und kehrte mit ihm in die französischen Linien 
zurück. Der Fliegeradjutant Bertin wurde mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet. 
Ein deutscher Minenangriff aus der Combreshöhe 
Aus dem Tagebuch eines deutschen Majors veröffentlicht die „Tägliche Rundschau" 
(6. VIII. 15) eine anschauliche Schilderung einer für den Schützengrabenkrieg charakteristischen 
Kampfepisode. Das Tagebuch erzählt: „Im Abschnitt der zehnten Kompanie hatten 
die Franzosen gegen eine vorspringende Stelle unseres Grabens, die sogenannte Kanzel, 
eine Sappe vorgetrieben und waren mit dem Sappenkopf allmählich bis auf drei bis 
vier Meter an unsere Linie herangekommen. Das Gelände vor der Kanzel fiel steil, 
im Winkel von etwa 25 Grad, nach dem Feinde zu ab. Es war mit Strauchwerk 
bedeckt und ziemlich unübersichtlich. Vor kurzem waren aus dem befestigten und mit 
Schießscharten versehenen Sappenende mehrere Handgranaten in unseren Graben geworfen 
worden, was uns einige Tote und Verwundete gekostet hatte. Das konnte nicht länger 
geduldet werden, und der Führer der zehnten Kompanie, Oberleutnant Gruchot, beschloß, 
den Franzosen die Sappe wegzunehmen. 
Aber nur eine sorgfältige und gründliche Vorbereitung kann das Werk glücken lassen. 
Von der Kompanie werden 150 gefüllte Sandsäcke, Schutzschilde, Handgranaten und 
Schanzzeug bereitgestellt. Die Brustwehr unseres Grabens unmittelbar gegenüber dem 
Sappenkops wird bis auf eine dünne Sandsackwand abgetragen. Die wenigen, unter 
Leitung des Kompagnieführers bestimmten Leute sind genau unterrichtet. Jeder weiß, 
worum es geht und brennt auf den Beginn des Handstreiches. Die Grabenposten sind 
belehrt, die Mannschaften der Kompanie aus jede feindliche Gegenunternehmung gefaßt. 
Um 10 Uhr beginnt unser Minenwerfer seine Arbeit. Das scheint Oberleutnant 
Gruchot der günstige Augenblick, das Werk auszuführen. Als das bekannte Flöten 
warnungszeichen der Franzosen ertönt, das sie vor unseren ankommenden Minen in 
ihre Deckungen ruft, wird von eifrigen Händen unsere dünne Grabenwand eingerissen 
und Vizefeldwebel Badegast stürmt mit den Gefreiten Evers, Reimann und Schlig in die 
feindliche Sappe. Hier sehen sie 20 Meter vom Sappenkopf entfernt vier bis fünf Fran 
zosen am Boden kauern und sich vor unserem Minenfeuer ducken. Einige wohlgezielte 
Schüsse veranlassen die Ueberraschten zu eiliger Flucht. Hals über Kopf stürzen sie in 
der Sappe den Abhang hinunter. Einer fällt, anscheinend getroffen. Und nun wird 
in fieberhafter Tätigkeit mit Kreuzhacke und Spaten an dem Durchbruch zur Sappe ge 
arbeitet und rasch eine Verbindung gebrochen. Der Sappenkops wird in unseren Graben 
eingebaut und mit Sandsäcken und Schutzschilden gegen die Sappe abgesperrt. 
Kaum ist dies in einer knappen halben Stunde notdürftig geleistet, als die feindliche 
Artillerie die genommene Stelle schon unter Feuer nimmt, während die gegnerische 
Infanterie sich auffallend ruhig verhält, wohl in Schach gehalten durch unser Minen- 
seuer und die Aufmerksamkeit unserer Grabenbesatzung, die — den Finger am Abzugs 
bügel — Sappe und Umgebung mit ihrer Gewehrmündung beherrscht. 
Schon die ersten Schüsse der feindlichen Artillerie treffen unsere Grabenbrustwehr. 
Der vierte Schuß liegt aus der Durchbruchsstelle an der hinteren Grabenwand. Durch 
ihn wird Gruchot, der bisher mit prachtvoller Ruhe und eisernen Nerven das Unter 
nehmen geleitet hat, zu Boden geworfen und zum Teil verschüttet. Noch hört er den 
Ruf: „Holt den Kompanieführer heraus, er ist gefallen", dann schwindet ihm das Be 
wußtsein. Sein Bursche Langenhorst und einige Leute bringen ihn aus dem vor 
springenden Graben zurück, und nach kurzer Zeit kommt der nervenstarke Mann wieder
	        
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