Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

Die Kämpfe an der Westfront bis zur französisch-englischen Herbstoffensive 27 
dachte er daran, sich durchzukratzen. Es ging aber nicht. Der Raum, der ihm in dem 
verschütteten Unterstand zur freien Bewegung zur Verfügung stand, hatte kaum zwei 
Meter im Quadrat. Schreien wollte er nicht, weil er nicht wußte, ob nicht die Feinde 
den angrenzenden Graben besetzt hatten. Das Verständnis für Zeit schwand ihm. 
Schwarzer Kaffee aus seiner Trinkflasche und ein Stück Brot waren seine Nahrung. 
Als man ihn ausgrub, hatte man den Feind gerade aus dem Graben vertrieben. 
Dann hieß es rasch schanzen, um den alten Graben herzustellen. Dabei wurde das 
Leben des Musketiers gerettet. Er lag halb bewußtlos da. Erst hielt man ihn für 
tot. Wie hätte auch ein Mensch unter dieser Erdlast noch leben können. Ein Sanitäts 
soldat fühlte seinen Puls. Halloh, da ist noch Leben! Man träufelt ihm Kognak ein. 
In die Zeltbahn, die neben dem Verschütteten gefunden wurde, eingehüllt, trugen ihn 
zwei Kameraden durch den zerwühlten Graben, über den wieder neue Geschosse pfiffen, 
zum Verbandplatz. Dort erholte er sich langsam. Nach einer Stunde konnte er in 
einem Lehnsessel bereits aufrecht sitzen. Man hatte vom Verbandsplatz aus dem Korps 
arzt die Meldung erstattet. Dieser ließ den Mann in das nächste Feldlazarett bringen. 
Während der Fahrt im Krankenwagen sprach der Musketier kein Wort. Leichtver 
wundete, die mit ihm fuhren, starrten ihn nur an. Acht Tage verschüttet! Und am 
Leben! Na, der wird sich bei Muttern erholen können! 
Im Feldlazarett wurde der Mann neuerlich untersucht. Alle Glieder waren heil. 
Ruhe im Bett lehnte er ab. Er verlangte nur eine Pfeife und Tabak! Nach einigen 
Stunden erfuhr der kommandierende General von ihm und seiner Rettung. Der Korps 
arzt meldete den Vorfall. „Den Menschen muß ich besuchen!" Seine Soldaten liebt 
er. „Der Musketier geht bereits herum, Exzellenz," bemerkte der Korpsarzt. 
„Dann lassen Sie mir ihn kommen," befahl Exzellenz. Nach einer Stunde wurde 
der Mann gemeldet. Ich stand im Hintergrund des Zimmers. 
Der Musketier trat ein. Als er die Hacken zusammenklappte, dröhnte es. Wir 
trauten unseren Augen nicht. Der Mann war gestiefelt und gespornt, wenn man so 
sagen darf. Auf dem Kopfe trug er den Helm, auf dem Rücken Tornister und Mantel, 
schweres Gepäck. Nur das Gewehr fehlte. 
Die Wangen waren blaß, die Augen schienen müde. Verwundert sah ihn der General 
an. „Wie geht es Ihnen?" — „Danke, gut, Exzellenz!" Dann mußte er sein Erleb 
nis erzählen. Er tat es herzlich schlicht. Als wenn es nichts gewesen wäre. 
„Fühlen Sie sich denn stark genug, die schwere Bagage zu tragen?" — „Jawohl, 
Exzellenz!" 
„Haben Sie einen Wunsch?" — „Zu Befehl, Exzellenz!" — „Sie wollen wohl einen 
längeren Erholungsurlaub? Das können Sie haben! ..." — „Nein, Exzellenz, ich 
möchte zu meiner Kompagnie zurück ..." — „In den Graben?" — „Jawohl, man 
fühlt sich so fremd, wenn man nicht zu Hause ist." 
„Du hast recht, mein Junge!" Und der General schüttelte ihm die Rechte. 
Eine französische Fliegertat 
In einer Mitteilung des französischen Marineministeriums vom 4. September 1915 
über die Tätigkeit der französischen Flieger wird folgende Geschichte erzählt: „Am 
24. August 1915 waren die beiden Flieger Bertin und Bayer gleichzeitig beauftragt, 
einen Erkundungsflug innerhalb der deutschen Linien auszuführen. Sie mußten an 
zwei Punkten landen, die sechs Kilometer von einander entfernt lagen. Bertin wurde 
beschossen und am Oberschenkel verwundet, setzte jedoch seine Fahrt fort bis zu dem 
ihm ausgegebenen Punkte. Unterdes führte auch Bayer seinen Auftrag aus; da sich 
jedoch sein Apparat beim Landen überschlagen hatte, zündete er ihn an und wollte
	        
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