Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

260 Die österreichisch-ungarische Monarchie während des zweiten Kriegshalbjahres 
das Ausland zu decken, und dazu dienen, der österreichischen Finanzverwaltung ein Gut 
haben in Deutschland zu schaffen, aus dem die Zahlungsverpflichtungen an das Aus 
land und vor allem an Deutschland selbst bestritten und für weitere Auslandsbezüge 
die Mittel bereit gestellt werden können. 
Da mit dem fortschreitenden Abbau des Moratoriums in Oesterreich die deutsche 
Kaufmannschaft häufiger in die Lage kam, ihr Recht vor österreichischen Gerichten zu 
suchen, wurde der unsichere Rechtszustand hinsichtlich der Klagen deutscher Gläubiger 
vor österreichischen Gerichten im positiven Sinne von Oesterreich geklärt, nachdem Deutsch 
land seinerseits das deutsche Auslandsmoratorium gegenüber österreichischen Gläubigern 
aufgehoben hatte. 
* * * 
Ein Kapitel für sich ist die volkswirtschaftliche Gestaltung Galiziens 
während des Krieges. Nachdem es den Russen infolge ihrer gewaltigen Ueberzahl ge 
lungen war, sich des größten Teils Galiziens bis an die Karpathenkämme und darüber 
zu bemächtigen, war das Land eine Zeitlang auch als volkswirtschaftlicher Faktor für 
Oesterreich verloren. Die Viehzucht Galiziens war durch den Krieg fast völlig vernichtet, 
und der Ackerbau hatte nicht minder schwer darunter zu leiden. Der Industrie, die sich 
hier zum Teil noch in ihren Ansangsstadien befindet, ging es nicht besser. Die Ansätze 
der Eisen- und Textilindustrie waren zerstört. Selbst die bedeutende Rohölproduktion 
blieb von der barbarischen Zerstörungswut der Russen nicht verschont. Während der 
Russenherrschast wurde die russische Währung eingeführt, und man richtete sich auch sonst 
wirtschaftlich darauf ein, als ob das Land dauernd dem russischen Reiche verbleiben 
würde. Die Stadt Lemberg z. B. mußte eine Anleihe von einer Million Rubel auf 
nehmen, um den russischen Kriegsansorderungen gerecht zu werden. Als dann aber mit 
dem Beginn des Mai 1915 die Rückeroberung Galiziens begann, setzte sofort eine große 
Hilfsaktion Oesterreichs ein, um die schweren wirtschaftlichen Schäden zu heilen. Immer 
hin war das Wirtschaftssystem des ganzen Landes so schwer getroffen, daß eine Wieder 
aufrichtung der Landwirtschaft, all der zerstörten industriellen Anlagen und des Handels 
verkehrs Jahre brauchen wird. Zunächst hatte das Land auch nach der beginnenden 
Säuberung durch die Russen weiter außerordentlich durch die Requisition für das Heer 
und die Abschneidung aller Zufuhr aus dem Auslande schwer zu leiden. Die Preise 
der Lebensbedürfnisse stiegen seit Ostern auf das doppelte und dreifache. Die Bauern 
hatten weder Pferde noch Saatkorn, da beides von den russischen Truppen in Anspruch 
genommen war, und ihre Versuche einer Feldbestellung mit Menschenkraft konnten unter 
den widrigen Verhältnissen nur von geringem Erfolg sein. So war die wirtschaftliche 
Lage Galiziens am Ende des ersten Kriegsjahres außerordentlich ungünstig, und nur die 
Wiedervereinigung mit Oesterreich ließ die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu. 
Vom Kaiser Franz Josef 
Kundgebungen 
4. Februar 1915. 
Kaiser Franz Josef hat das nachstehende allerhöchste Handschreiben erlassen: 
„Lieber Graf Stürgkh! Zurückblickend auf den Zeitraum eines halben Jahres, 
während dessen wir in einem uns durch die feindseligen Absichten unserer Gegner auf 
genötigten Kampfe stehen, gedenke Ich dankbaren Herzens der opferfreudigen Haltung, 
die Meine treuen Völker in dieser schweren Zeit bekundeten. 
Von würdiger, ernster Zuversicht beseelt, haben sie sich den großen Anforderungen der 
Zeitläufte voll gewachsen gezeigt, haben sie in der edlen Bereitwilligkeit, ihre Söhne zu
	        
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