Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

252 Die österreichisch-ungarische Monarchie während des zweiten Kriegshalbjahres 
Die zweite Kriegstagung des ungarischm 
Reichstages vom 19. April bis 26.Mai 1915 
Die innere Politik 
In der Eröffnungssitzung am 19. April 1915 erinnerte der Präsident Paul v. Beöthy 
in seiner Begrüßungsrede an die glänzenden Beweise von Heldenmut und Opserwilligkeit 
der Armee und stellte den Antrag, das Abgeordnetenhaus möge seinen wärmsten Dank, 
sowie sein festes Vertrauen in die Zukunst und aus die heldenmütige Haltung der im 
Krieg stehenden Soldaten aussprechen, gleichzeitig der teilnahmsvollen Pietät für den 
schmerzlichen Verlust ^.der Gefallenen Ausdruck verleihen und diesen,Beschluß dem Ober 
befehlshaber der Armee, Feldmarschall Erzherzog Friedrich, zurWenntnis bringen, mit 
dem Ersuchen, ihn der Armee in geeigneter Weise mitzuteilen. 
Unter den Gesetzesvorlagen, die zu verabschieden waren, beanspruchen die Gesetze über 
die Verlängerung der Landsturmdienstzeit sowie über die Ergänzung ver 
Truppen von Galizien und der Bukowina aus Ungarn besonderes Interesse. 
Die erstere Vorlage ist jnach den Reden des Ministerpräsidenten, Gras Tisza, des Honved- 
ministers Baron Hazai und der beiden Führer der Opposition, Bakonyi (Unabhängigkeits 
partei) sowie Graf Julius Andrassy (Verfassungspartei), in allen drei Lesungen mit den von 
Bakonyi beantragten Aenderungen am 27. April 1915 ei nstimmi g angenommen worden (vgl. 
S. 247). In der Begründung der Vorlage wies der Ministerpräsident Graf Tisza zunächst 
darauf hin, daß die verbündeten Heeresleitungen während des ganzen Krieges stets bestrebt 
gewesen seien, „mit vereinten Kräften dort zu schlagen, wo dies vom Standpunkt 
gemeinsamer Zjwecke am notwendigsten war," und fuhr dann fort: „Ich darf auch 
nicht mit Stillschweigen übergehen, daß die Nationalitäten in unserem Vaterlande er 
hebende Beispiele des Patriotismus und der Opferwilligkeit gegeben haben. Ich bin 
überzeugt, daß alle Mitglieder des Hauses mit mir übereinstimmen werden, wenn ich 
mit besonderem Nachdruck meiner Freude darüber Ausdruck gebe, daß die kroatische 
Schwesternation sich in diesem Kriege so rühmlich hervorgetan hat. Das warme Gefühl, 
welches diesem Kampfe gegen den gemeinsamen Feind entsprungen, wird, wie ich hoffe, 
den Krieg überdauern und in Zukunft reiche Früchte tragen. Dieser Krieg," so schloß 
der Ministerpräsident, „dient nicht Eroberungsabstchten. Es ist dies ein Verteidigungs 
kampf zur Erhaltung unserer bedrohten Unabhängigkeit, in dem unzer mächtiger Bundes 
genosse mit der ihm angeborenen Treue uns hilfreich beigestanden hat. Die Monarchie 
wird, wie in der Vergangenheit, so auch künftighin ihre welthistorische Mission erfüllen. 
Sie wird nicht dem mechanischen Gleichgewicht der Kräfte dienen, sondern eine Stütze 
des aus der Unabhängigkeit der Völker beruhenden europäischen Gleichgewichts bilden. 
Dieser Gedanke macht alle kleinen und großen Nationen, die ihre Unabhängigkeit zu 
schätzen wissen und eine Sicherheit gegen Uebergriffe der aufgetauchten Weltherrschafts 
pläne suchen, zu unseren natürlichen Bundesgenossen. "Diese alte Monarchie, die jetzt so 
glänzende Beweise ihrer inneren Kraft gegeben hat, ist niemandes Feind, wohl aber der 
Feind aller Weltherrschaftsbestrebungen. Mie in eine >srutze und Sicherung der Freiheit 
und des Friedens Europas." 
Graf Julius Andrassy schloß unter stürmischem Beifall des ganzen Hauses seine Rede 
mit folgenden Sätzen: „Die Erhaltung der bisher errungenen Position und die Weiter 
eroberung feindlicher Teile, mit denen wir den Feinden den tödlichen Stoß versetzen 
können, erfordern übermenschliche Kraftanstrengung. Mit Hochachtung und tiefster Sym 
pathie gedenken wir unserer deutschen Verbündeten, die ebenfo ehrlich und treu wie 
wissensreich und heldenmütig, schwungvoll und von größter patriotischer Opferwilligkeic
	        
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