Volltext: Der Völkerkrieg Band 6 (6 / 1916)

208 Rußland während des zweiten Kriegshalbjahres 
den Angestellten und Arbeitern der Eisenbahnen, mit Ausnahme der Telegraphenbeamten, 
auf den Handelsschiffen, in den Sanitätsorganisationen usw. Aufschub wird nur erteilt 
den Angestellten und Arbeitern in den Kohlengruben des Dongebietes und denjenigen, 
die bei der Munitionsbeschaffung tätig find und deren sofortige Einberufung für den 
Staat selber von Schaden wäre. 
* * * 
14. April 1915. 
Ende März 1915 wurde eine Anzahl der früheren Angestellten des Polizeidepartements, 
die von der russischen Gendarmerie übernommen worden waren, unter dem Verdacht der 
Spionage für Deutschland verhaftet. Wie rusfische Blätter meldeten, ist dann zunächst 
der Gendarmerieoberst Mjassojedow nach erfolgter Verurteilung durch das russische 
Kriegsgericht durch den Strang hingerichtet worden. 
Die Verhaftungen riefen nicht nur in Petersburg, sondern in ganz Rußland größtes 
Aufsehen hervor und gaben Veranlassung zu den phantastischsten Gerüchten. Besondere 
Sensation verursachten Anfang April 1915 die folgenden Bemerkungen der englisch be 
einflußten „Nowoje Wremja": „In der Zeit, wo unsere Soldaten mit den Waffen in 
den Händen mit dem Feinde kämpfen, arbeiten hinter ihnen mit den Zungen Tagediebe, 
„Affäristen", Erpresser und Verleumder, die zur Nahrung Skandal und Klatscherei 
brauchen, weil sie sonst nichts zu tun gehabt hätten. In den letzten Tagen ist der 
Eifer dieser Herrschaften ins Ungeheure gewachsen und bereits schädlich für die Ver 
folgung unserer hohen Ziele geworden, weil man nicht mehr ruhig für die Bedürfnisse 
der aktiven Armee arbeiten läßt. Von der Ausweisung von zwei bis drei Personen 
des schönen Geschlechts aus der Residenz, die sich in dieser Tätigkeit spezialisiert haben, 
sowie einigen Personen des „unschönen" Geschlechts kann man eine bedeutende Ein 
schränkung dieser unsauberen Arbeit erwarten. Unter den letzteren wird ein sehr ge 
wandter Schlaufuchs genannt, der Erpressungen getrieben hat, als ein gewisser Würden 
träger (gemeint ist wohl Gras Witte) noch lebte." 
5. Juli 1915. 
Der russische Große Generalstab teilt mit: Die weitere Untersuchung in der Strafsache 
des schon hingerichteten Mjaffojedow hat die unbestreitbare Schuld seiner Komplizen 
Rigert, Friedberg, Falk, Mikustch und Aaron Salzmann erwiesen, die vom Kriegsgericht 
zum Tode durch den Strang verurteilt worden sind. Dieses Urteil ist am 1. Juli 1915 
vollstreckt worden. Die Witwe des Obersten Mjassojedow, ein Baron Grothus und ein 
Anwalt Freinat wurden zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. 
Die Maßnahmen gegen die „Fremdstämmigen" 
Maßnahmen gegen die Deutschen und die Angehörigen 
der übrigen feindlichen Staaten 
„Wer länger in Rußland gelebt hat," wird der „Kölnischen Zeitung" geschrieben, 
„und Zeuge war, welche Stellung sich das Deutschtum in Rußland durch mehr als 
zweihundertjährige fleißige Kulturarbeit erworben hatte, dem kam wohl schon in Frie 
denszeiten der bedrückende Gedanke, welche Werte auf dem Spiele ständen, wenn es je 
gelänge, Deutschland und Rußland in einen Krieg zu treiben. Denn die großen Erfolge, die 
den ins Land gewanderten oder gerufenen Deutschen, den Njemzi, d. h. den Stummen, 
den der Landessprache nicht mächtigen Fremdlingen, beschieden waren, haben von An 
fang an den Neid der Russen erweckt. Anstatt daß der russische Bauer, Handwerker 
und Kaufmann die Schuld ihrer wirtschaftlichen Rückständigkeit an sich selbst suchten, 
schoben sie diese dem nüchternen und fleißigen fremden Nachbar in die Schuhe. So ist 
der herkömmliche Deutschenhaß in Rußland zu allen Zeiten dem wirtschaftlichen Neide
	        
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