Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die große Offensive nördlich der unteren Weichsel bis zum Fall von Warschau 119 
Regiment näher heran. In einer Mulde wurde der Tagesanbruch erwartet. Im 
Zwielicht schlängelten sich Schützen und Kolonnen vorwärts. Das Regiment wurde 
entfaltet und bereitgestellt. 
Den Morgen begrüßten die ersten Artillerieschüsse. Nun, da es Tag war, sahen wir 
das Feld zwischen uns und jener Höhe noch weit sich dehnen. Die ersten Gewehrkugeln 
pfiffen über die Ebene, die die Russen von der Höhe 132 herüber sandten. Vorsichtig 
arbeitete man sich weiter vor, dort ein Zug, da eine Gruppe; das wenige geschnittene 
Getreide bot spärlichste Deckung, die Ackerfurchen minutenlange Rast; öfters grub man 
sich wieder ein, wenn das feindliche Feuer zu toll wurde. 
Ueber solch mühsamer Annäherungsarbeit stieg die Sonne höher und höher. Es ge 
lang allen Teilen, auf Sturmentfernung heranzukommen. Indessen verstummte allmählich 
das feindliche Jnfanteriefeuer, um so dröhnender wurde das Artilleriekonzert. Lauter 
und wütender bellte die russische Feldartillerie, je näher die Stunde des Sturmes rückte. 
Aber unsere Leichte und Schwere blieb die Antwort nicht schuldig. Treffer um Treffer 
schlug in die feindlichen Erdwerke ein und hüllte dieselben in eine fahlgelbe Wolke, aus 
der nur ab und zu die Blitze der berstenden Geschosse zuckten. Dort drüben mußte die 
Hölle sein. Jetzt war's Zeit. 
Um 10 Uhr kam der Befehl: „Zum Sturm auf, Marsch, Marsch!" Wir stürmten 
gebückt im schärfsten Lause vor. Nur wenig Jnfanteriefeuer kam uns entgegen, dagegen 
ratterte noch ein Maschinengewehr, das ganz unheimlich gut eingerichtet war. Plötzlich 
verstummte auch dieses — ein Volltreffer in letzter Minute hatte die Bedienung getötet. 
Mit schweren Granaten suchte der Gegner die letzte Strecke zu sperren. Eine von 
ihnen jedoch mußte uns unfreiwillig die Gasse bahnen zum feindlichen Graben: Noch 
lag das feindliche Drahthindernis zwischen ihm und uns unversehrt. Drahtscheren fehlten, 
die sie trugen, waren gefallen. Spaten und Picke vermochten keine Gasse zu brechen. 
Da schlug mit Heulen und Krachen eine russische schwere Granate ins Drahthindernis 
und fegte Bahn durch die Wirrnis. Durch die geöffnete Pforte stürzte die Schar der 
Stürmenden mit brausendem Hurra. Mit fliegenden Armen, zum Teil ohne Mantel und 
Waffenrock, Entsetzen und Angst auf den Gesichtern, flohen die Russen aus der Stellung 
ins Innere der Festung. Viele ergaben sich mit flehend erhobenen Händen. 
Wie meist, so war auch hier der Sturm nur der Anfang eines wütenden Kampfes. 
Nun galt es, die gewonnene Höhe zu halten. Schon kamen in weiter Ferne sichtbar 
starke russische Schützenlinien heran. Unsere wohlgezielten Kugeln schlugen ihnen ent 
gegen. Das Maschinengewehr, des vorher in unseren Linien gewütet, wurde in Stellung 
gebracht und sandte jetzt in ihre Reihen Tod und Verderben. Mehr als 400 Meter 
ließ unser Feuer die feindlichen Massen nicht heran, immer dünner wurden ihre Linien, 
Haufen von Toten blieben liegen, der Rest flutet in die russischen Gräben zurück. 
Wir gruben uns in der eroberten Stellung ein und bauten dieselbe in der Nacht mit 
Sandsäcken und Hindernissen sorgfältig aus. Im Morgengrauen fanden vorgehende 
Patrouillen die feindliche Stellung leer. Die Russen waren über die Narewbrücke zurück 
gegangen. Rozan, Stadt und Festung, war in unserer Hand, der Uebergang über 
den Narew, der zu Füßen Rozans fließt, gesichert." 
Auf ein Telegramm des Königs von Württemberg hat Kaiser Wilhelm, wie der 
württembergische „Staatsanzeiger" meldete, geantwortet: „In West und Ost wetteifern 
Deine tapferen Schwaben auf das schönste in hingebender Treue und unvergleichlichem 
Heldenmut mit allen übrigen deutschen Stämmen. Gott sei ferner mit uns!" 
„Noch in der Nacht, nachdem Rozan genommen war, wurden deutsche Truppen," so 
erzählt Rolf Brandt in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", „aus das rechte 
Narewuser gebracht und in aller Stille verstärkt, woraus die Russen am nächsten
	        
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