Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

114 Die Ereignisse an der Ostfront nach der Wiedereroberung von Przemysl 
seid zu erhalten. Eine solche Front in ganzer Breite frontal anzugreifen ist unmöglich. 
Eine Umfassung des Gegners war ausgeschlossen, da sich die deutschen und die russischen 
Linien ununterbrochen nahe gegenüberlagen. 
General v. Gallwitz entschloß sich zum Durchbruch an zwei Stellen, die so nahe 
aneinanderliegen, daß die hier gelingenden Vorstöße ihre Wirkung sofort auf das Mittel 
stück und weiter auch nach rechts und links ausüben mußten. Als Angriffspunkte wählte 
er die vorspringenden Winkel der russischen vordersten Stellung nordwestlich und nord 
östlich von Prasznysz. Diese vielumstrittene Stadt, deren Umgebung solche Mengen 
russischen und deutschen Blutes getrunken hat und die selbst dabei zum Trümmerhaufen 
geworden ist, hatten die Russen durch einen Gürtel von starken Feldwerken zu einer 
Festung ausgebaut. Sie sollte diesmal gar nicht angegriffen werden, sondern als Sieges 
preis den zur Rechten und zur Linken stürmenden Truppen in den Schoß fallen. Dieser 
Plan ist in vollem Umfang geglückt. Wie die Schneiden einer gewaltigen Kneifzange 
durchbrachen die tapferen deutschen Truppen die feindliche Linie zu beiden Seiten von 
Prasznysz und schlossen sich unaufhaltsam jenseits der Stadt zusammen. Die russische 
Besatzung mußte schleunigst die Festung kampflos verlassen, um nicht mitabgekniffen zu 
werden. Ein solcher Erfolg wäre aber unerreichbar gewesen ohne sorgfältigste Vor 
bereitung des Angriffs. General v. Gallwitz zog starke Jnfanteriekräfte gegenüber den 
Durchbruchstellen, zumal der rechten, zusammen und vereinigte dort gewaltige Artillerie 
massen, deren Munitionsversorgung auf den schlechten Wegen bedeutende Schwierigkeiten 
bereitete. Alles das war dem Feinde geheimzuhalten, und in der Tat haben die Russen, 
obwohl unsere Schützen sich allmählich verschoben und unsere Batterien mit dem Ein 
schießen begannen, an keinen ernsthaften Angriff geglaubt. Ein Stück hinter Prasznysz 
fanden unsere Truppen eine fertige Feldbahn, auf der gerade am nächsten Tage der 
Personenverkehr beginnen sollte (vgl. die Karte VI, S. 63). 
Erst der Morgen des 13. Juli weckte die Russen unsanft aus ihrem Sicherheitsgefühle. 
Die Sonne war kaum aufgegangen, als aus Hunderten von Feuerschlünden die Geschosse 
leichten, schweren und schwersten Kalibers auf die russischen Stellungen herniedersausten. 
Es war eine Kanonade, die schon auf die deutschen Truppen einen tiefen Eindruck machte, 
die russischen aber völlig um die Besinnung brachte. Trotz des unklaren, regnerischen 
Wetters schoß unsere Artillerie ausgezeichnet. Den Schützen in so starken Feldstellungen 
ist ja nur durch Volltreffer größerer Kaliber beizukommen. Hageldicht schlugen diese 
kurz vor und hinter den russischen Linien ein, oft genug auch unmittelbar in die 
Deckungen. Wurde dadurch auch nur ein kleiner Teil der Feinde getötet, so war die 
moralische Wirkung um so gewaltiger. Gefangene haben erzählt, daß in diesem Höllen 
feuer jeder Zusammenhalt in der Truppe aufhörte. Hieraus, wie aus der überraschen 
den Wirkung des ganzen Angriffs ist es zu erklären, daß unsere Infanterie bei der 
Erstürmung der ersten russischen Stellung wenig Aufenthalt und verhältnismäßig wenig 
Verluste hatte. Auf 8 Uhr morgens war für einen großen Teil der Truppen der Angriff 
festgesetzt, für einen anderen etwas später, und schon eine Viertelstunde danach, stellen 
weise sogar vor der anberaumten Zeit, war der Erfolg gesichert. Die deutsche Infanterie 
ließ sich in ihrem frischen Vorwärtsdrang um so weniger aufhalten, als sie die gewaltige 
Wirkung des Artilleriefeuers erkannte und Scharen von waffenlosen Russen herankommen 
sah, die nur noch in der Gefangenschaft Rettung vor den schrecklichen Granate» suchten. 
In dem stark befestigten und von beherrschenden Höhen umgebenen Dorf Grudusk sah 
es furchtbar aus. Die letzten noch unzerstörten Häuser brannten, die mächtige Kirche 
war eine Ruine, und ringsherum reihte sich Granatloch an Granatloch. Den Thüringern, 
die hier schneidig einbrachen, während ein Teil der feindlichen Schützen noch feuerte, 
fielen fünf russische Kanonen zur Beute, deren heraneilende Protzen unser Schnellfeuer
	        
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