Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die große Offensive nördlich der unteren Weichsel bis zum Fall von Warschau 111 
„Meine Pferde vor!" Gleich darauf jagt er, von seinem Burschen gefolgt, an den Rad 
fahrern und Pionieren vorüber, in das prasselnde Feuer hinein. Der Generalstabs 
offizier tritt aus seinem Fernsprechwinkel heraus: „Meine Herren, wir wollen uns auf 
Folgendes vorbereiten. „Wenn das Zurückgehen nicht zum Stehen kommt, besetzen wir 
diesen Graben längs des Waldes und halten alle zurückgehenden Leute auf dieser Linie 
fest. Diese Linie wird unter allen Umständen gehalten!" 
Er verschwindet wieder unter seiner Zeltbahn, wir verteilen uns an dem Graben, die 
Leute werden angehalten, und sogleich wird mit der Aushebung von Deckungen begonnen. 
Der Führer der Radfahrerkompagnie ist mit seinen Leuten inzwischen am Vorwerk 
Sliter angekommen, wie der Wind find seine Grünröcke von den Rädern und schwärmen 
rechts und links über das Feld aus. Er sieht den General rechts auf der Höhe Schritt 
an der Schützenlinie entlangreiten, sieht 500 Meter weiter die Russen in zehnfacher 
Kette vorgehen und denkt, ob es wohl möglich ist, daß ein Reiter unversehrt aus solchem 
Höllenseuer herauskommt. Zugleich bemerkt er aber, daß die Rückwärtsbewegung auf 
der ganzen Front zum Stehen gekommen ist, daß die schwankenden Linien wieder vor 
wärts zu gehen beginnen, zieht demgemäß seine Radfahrer und die Pioniere zusammen 
und geht mit ihnen in Deckung. Nur ein halber Zug Radfahrer bleibt zur Bedeckung 
der Geschütze. Auf der Höhe reitet der General der Schützenlinie entlang, im zischenden 
Kugelregen wie in einem Bienenschwarm. 
„Na, Kerls, Ihr werdet doch nicht ausreißen vor den Russen!"... „Nein, Herr General!" 
„Ihr habt doch in schlimmeren Lagen ausgehalten, Leute. Werd't doch diese Stellung 
halten!" ... „Jawohl, Herr General!" 
Er reitet weiter, die ganze Schützenlinie entlang, immer mit den Leuten redend und 
ein paar Leutnants anhauchend, weil sie aufrecht in der Schützenlinie stehen, statt zu 
liegen. Freut sich dabei im Geheimen, daß seine Leutnants Mut haben, sieht, daß die 
Batterien feuern und intakt sind, und reitet nach dem Gehöft zurück. 
„Meine Herren, das Gefecht ist da vorn hoffentlich soweit zum Stehen gekommen. 
Sollte es dennoch zurückgehen, so verlängern Sie nach links, bringen Sie Ruhe in die 
Sache. Es ist gar nicht so schlimm, man muß bloß durchhalten, die Nerven nicht ver 
lieren. So, jetzt können Sie mir melden," wendet er sich dem Ordonnanzoffizier zu, 
der die Meldung bringt, daß der rechte Flügel eingeschwenkt hat und gut vorwärts 
kommt. „Na ja, ich sag's ja, es ist gar nicht so schlimm. So, Gustav, jetzt kannst du 
dich verbinden lassen . . ." Und während die Kugeln ringsherum einschlagen, reitet er 
zum Stabe zurück. Eine Kugel hat den Burschen getroffen und zwei dessen Pferd, 
nicht schwer zum Glück. 
Verwundete kommen die Straße entlang. Jeden fragt der General nach seiner 
Wunde, spricht ihm Mut zu und klopft ihm auf die Schulter. Allmählich wird es dunkel, 
es fängt an zu regnen. Links aus dem Walde hört man mehrfach Hurras unserer 
Stürmenden. Die Russen sind auf der ganzen Front im Weichen. 
Die Einnahme von Mitau am I. August 1915 
Vom Vormarsch und Sturm auf Mitau erzählt ein Unteroffizier in einem im „Schwä 
bischen Merkur" veröffentlichten Feldpostbrief folgendes: „Vor der Stadt Bauske hatten 
wir am 30. Juli 1915 während eines schweren Gewitters einen blutigen Sturmangriff 
machen müssen. Wir standen den Russen, die in vier Linien kamen, oft bis auf zehn bis 
zwanzig Schritt gegenüber; der Kampf schwankte hin und her bis wir zum Sturm ansetzten und 
im Eillaus alles gefangen nahmen, was uns in die Finger kam. Es waren 500 bis 
600 Gefangene und fast ebensoviel Tote und Verwundete. Am Abend behaupteten wir 
das Schlachtfeld und drangen vor bis an den Fluß Aa. Jenseits des Flusses hatten
	        
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