Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

236 Die Ereignisse an der Westfront vonMaibisAugust191S 
gedeckt der Dinge, die da kommen sollten. Jeder war auf seinem Posten. Die Artillerie 
war verständigt, nun konnte es losgehen. Drüben hatte das Laufen und Rennen auf 
gehört. Die vorherige Stille war zurückgekehrt: die Stille vor dem Sturm! Unsere 
Schützengräben waren leer, mit Ausnahme der Posten, die, angestrengt hinaus 
spähten, fiebernd vor Erwartung. Und da sahen sie, wie aus den feindlichen Gräben 
lautlos graue Schatten herauskletterten, mit kurzen schnellen Sprüngen durch die schmalen 
Gassen, die in dem feindlichen Drahtverhau waren, sich durchwanden, die paar Meter 
bis zu unserem Drahtverhau im Nu durchmaßen; und schon krachten ihre mitgebrachten 
Handbomben prasselnd in unsere Gräben. Die waren leer, wir hatten uns vorgesehen. 
Wieder und wieder krachten die Handbomben, sprühten Rauch und Feuer, bei uns blieb's 
still. Jetzt sprangen aus den französischen Gräben dichte Scharen grauer Gestalten 
heraus, die gleichfalls lautlos, das Gewehr mit blitzendem Bajonett in der Hand, heran 
stürmten. Und nun wurde es auch bei uns lebendig. Unsere Maschinengewehre setzten 
aus einen Schlag ein, und ihr rasendes Tack-Tack vermischte sich mit dem Krachen unserer 
Minenwerfer und Mörser. Wir aus den Unterständen heraus, was das Zeug hielt; im 
Nu stand jeder aus dem ihm bestimmten Platz, und im selben Augenblick krachte auch 
schon das Gewehr. Fehlen konnte man nicht, denn bei dem herrschenden Mondlicht war 
gut zu sehen, und das Ziel war nah, so nah fast, daß man's mit den Händen hätte 
greifen können, nur durch ein paar dünne Stacheldrähte noch von uns getrennt. Die 
Franzosen hielten sich gut, trotz des rasenden Feuers stürmten immer wieder neue Scharen 
aus den Gräben heraus, meist schon auf halbem Weg durch unser Maschinengewehrfeuer 
niedergemäht. Die Ueberlebenden krochen wie die Schlangen über den steinigen, durch 
das Mondlicht fast weiß scheinenden Felskamm und verstärkten die schon vor unserem 
Drahtverhau liegenden, wie besessen schießenden Feinde, die sich verzweifelt bemühten, den 
Drahtverhau durchzuschneiden, oder durch Handbomben in dem Drahtgewirr einen Weg 
zu schaffen. Sich aufzurichten und die Handbomben stehend zu werfen, wagten sie nicht, 
es wäre für den Werfer sicherer Tod gewesen, und die aus liegender Stellung geworfenen 
Bomben richteten, weil sie alle zu kurz gingen, bei uns gar keinen Schaden an. Um aber 
unserem Drahtverhau beizukommen, dazu gehörte schon etwas, das Kunststück brachte nur 
stundenlange, hervorragend geleitete Artillerievorbereitung fertig. Denn unser Verhau, der 
schon viel hundertmal geflickte, und unter den größten Gefahren immer wieder zusammen 
geschusterte, bildete ein solches Gewirr von Drähten, spanischen Reitern und Draht- 
verkünstelungen und war so dicht über- und untereinander verflochten, daß ihm mit der 
Drahtschere überhaupt nicht beizukommen war. Wie gesagt, das Kunststück konnte nur 
Artillerie fertig bringen, und aus die hatten die Franzosen heute verzichtet. Das be 
kam ihnen schlecht, der plötzliche Ueberfall, der uns ihrer Meinung nach unvorbereitet 
treffen sollte, wurde teuer, sehr teuer. Zu allem Ueberfluß begann jetzt unsere Artillerie 
ein ebenso genaues wie anhaltendes Feuer auf die feindlichen Schützengräben und die 
dahinterliegenden Reservestellungen zu eröffnen, so daß den vor unserem Drahtverhau 
liegenden Franzosen der Rückweg abgeschnitten war. Trotzdem hörten die hinter Steinen 
und in Granatlöchern liegenden tapferen Feinde nicht auf, zu schießen, so daß wir jetzt 
unsererseits zu Handbomben greifen mußten, um sie von dort zu vertreiben. Das Resultat 
sahen wir bei kurzem, schnellem Ausblick am andern Tage. Die Franzosen lagen wie 
gesät auf der kahlen, steinigen Hochfläche, oft mehrere übereinander, tot, starr. Wer 
noch lebte, war nach dem Nachlassen unseres Artillerieseuers in die feindlichen Stellungen 
zurückgekrochen. Der ganze Ueberfall und seine Abwehr hatten nicht länger als 20 Mi 
nuten gedauert, eine sehr kurze Zeit und doch so unendlich lang für diejenigen, die, dem 
furchtbarsten Feuer ausgesetzt, fast wehrlos ausharren müssen, wie es den Franzosen 
vor unserem Drahtverhau ging. Wir hatten nur sehr wenig Verluste, gottlob war uns
	        
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