Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Südlich der oberen Weichsel von der Wiedereroberung Lembergs bis zur großen Offensive 67 
«in Wagen einer Bagage einen steilen Berg nicht hinauskommt, im tiefen Sande stecken 
bleibt, oder daß ein Pferd umfällt und ausgespannt werden muß. Natürlich stutzt nun 
die ganze Kolonne. An derselben schwierigen Stelle des Weges bleibt aber nun der 
Reihe nach eine ganze Anzahl von Fahrzeugen liegen; womöglich müssen sie einzeln mit 
Vorspann den betreffenden Berg hinaufgebracht werden, indem die Pferde eines anderen 
Wagens abgespannt, vorgelegt, aus der Höhe wieder abgespannt und zurückgebracht 
werden müssen, um nun ihr eigenes Fahrzeug zu holen. So kann es vorkommen, daß 
man auf dem Marsche von zehn Kilometern etwa 50mal zum Halten kommt, ohne jedes 
mal zu wissen, warum gehalten wird, und wie lange, und ob es sich überhaupt lohnt, 
absitzen zu lassen, oder ob man Zeit hat, die Pferde zu tränken und zu füttern. Bei 
Nacht ist ein derartiges Marschieren einfach zum Verzweifeln und bringt den 
stärksten Mann um, wenn er nicht nur aus Stumpfsinn und Fatalismus zusammen 
gesetzt ist.... 
Vom 30. Juni an bewegten wir uns nur noch in Gewaltmärschen nach nordnord 
östlicher Richtung. Wenn die zurückgelegten Entfernungen auch jetzt nicht übermäßig 
groß waren, brachten wir doch unsere armen Pferde, die durch die ganze vorhergegangene 
Kampfperiode stark entkräftet waren, kaum noch vorwärts und verloren jeden Tag eine 
größere Anzahl, die einfach hinfielen und nicht wieder auf die Beine zu bringen waren, 
oder auch sofort am Herzschlag eingingen. Das geht einem Tierfreund auf die Nerven, 
wenn er mit Bewußtsein Tiere, die in schweren Zeiten so brav gedient hatten, zu Tode 
hetzen muß.... 
Bei Chlewczany begann der eigentliche Kriegsmarsch mit Infanterie zusammen. Wir 
hatten dabei das Pech, hinter den Divisionsbrückentrain zu kommen, der nach Verlust 
von rund einem Drittel seines Pferdebestandes die schweren Pontonwagen schließlich über 
haupt nur mit Vorspann einzeln vorwärts brachte. Auf eine Viertelstunde Marsch folgten 
stets drei Viertelstunden Halt, so daß wir zu fünf Kilometer Sandweg viereinhalb Stunden 
gebrauchten; schließlich mußte diese Truppe stehenbleiben, und wir konnten vorbei. So 
erreichten wir endlich um 10 Uhr abends Beiz, tränkten und fütterten die Pferde und 
uns selbst; ich schlief sogar drei Viertelstunden lang im Sitzen. Dann ging es um 11.30 
nachts bei Mondschein weiter nach Rusin, wo die Batterien zwischen zwei und drei Uhr 
morgens eintrafen. Die Entfernung von Przystan bis Rusin beträgt etwa 35 Kilometer, 
dazu brauchten die Batterien rund 20 Stunden." 
Etwas rascher kam die Kavallerie vorwärts. Aber auch hier waren die Anstrengungen 
ungeheuer, wie aus einem Feldpostbrief hervorgeht, den der Kommandeur eines kom 
binierten Kavallerieregiments in die Heimat sandte. Es heißt darin: „Am 28. Juni 1915 
rückten wir aus Galizien, in dem wir seit dem 1. Mai 350 Kilometer in Marsch und 
Gefecht vorwärts gebracht hatten, in Rußland ein. Das flüchtende Heer trieben wir 
vor uns her. Im eigenen Lande sengten und brannten sie ohne Erbarmen vor ihrem 
Abzug, um uns nichts in die Hände fallen zu laffen. Die Orte, die ich durchritt, sind 
entweder ganz niedergebrannt oder von allen Einwohnern verlassen. Nur Hunde, Hühner, 
Schweine und Katzen steht man noch da und dort. 
Im letzten Dorfe Galiziens ritt ich mit meinem Regiment als erste deutsche 
Truppe ein; zehn Minuten zuvor waren noch Kosaken dort, die keine Zeit mehr fanden 
zum Feueranlcgen. Man läutete die Kirchenglocken — seit 27. Januar 1915 hörte 
ich sie zum erstenmal wieder, — Frauen, Männer, Kinder küßten mir Stiefel, Kleider, 
Händel Eine Viertelstunde später waren wir wieder hinter den Kosaken her. Aus der 
Ferne hörte ich noch das Beten der Gemeinde Tarmoszyn in ihrer schönen Dorskirche, 
ihr Danken für die Erlösung von den Russen, die seit September 1914 dort die Herren 
und Gebieter gewesen waren.
	        
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