Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Südlich der oberen Weichsel bis zur Einnahme von Lemberg 49 
Wäldern am oberen Bug Unterkunft zu suchen. Sie blieben dort auch ziemlich unbelästigt 
bis zum 28. Juni 1915. Es gesellten sich noch mehrere versprengte österreichische Soldaten 
zu ihnen, so daß ihre Zahl aus elf stieg. Sie zimmerten sich eine Hütte und fingen 
Wild, hauptsächlich erbeuteten sie Rehe und Wildschweine. Des Nachts mußten sie sich 
heimlich in den nächsten Dörfern Brot verschaffen. Viermal brannte ihre Hütte nieder 
und ebensooft bauten sie an anderen Stellen des ausgedehnten Waldes eine neue. Endlich 
am 28. Juni 1915 nahm die Robinsonade ein Ende. Es kam die Nachricht, daß die Oester 
reicher die Umgebung besetzt hatten, worauf sich die elf sofort meldeten. So kam der 
feit neun Monaten verschollene und bereits totgesagte „Falkengrabenbauer" der seit An 
sang September 1914 den Seinen keine Nachricht hatte zukommen lassen können, aus kurzen 
Urlaub nach Hause und erzählte seinen überglücklichen Lieben die absonderlichen Erlebnisse. 
Jung Heidelberg 
Von Hellmuth Unger 
Ja, da staunt ihr, was „Jung-Heidelberg" auf einmal mit Galizien zu schaffen hat. 
Aber falls ihr einmal einem Verwundeten begegnet, der unter Linsingen sich bei Tuchla 
und Beskid, bei Skole und Stryj und am Dnjestr bei Zurawno mit den Russen herum 
geschlagen hat — so fragt ihn nur nach „Heidelberg", und er wird euch strahlend Ant 
wort geben. „Die Heidelberger" heißt man sie hier allgemein. Die richtige Be 
nennung ist: 
„Erfrischungsstelle für Verwundete, Großherzogin Luise von Baden." 
Ursprünglich saßen sie in Volocz und hatten dort für die Verwundeten eine Liebes- 
gabenverpflegestation errichtet. In Heidelberg aufgestellt und ausgerüstet, kamen sie in 
die Karpathen und haben hier eine Liebestätigkeit begonnen, die jeden bedenken wollte 
und auch bedachte. Die Truppen der Südarmee rückten weiter, von den Paßhöhen der 
Beskiden ins Tiefland Galiziens, und die Heidelberger Gruppe wurde geteilt; denn 
vorn in der Nähe der Front brauchte man sie nicht weniger. Und von diesen Heidel 
bergern möchte ich doch noch ein wenig erzählen. 
Da ist die Frau Professor, eine echte, rechte Badenserin, die gewissermaßen Ober 
schwester ist und ihre vier „Mädle" nur so am „Schnürle" hat. In Synowodzko be 
gegnete ich ihnen zum ersten Male. Dort hatten sie sich für einige Zeit eingerichtet. 
Wie blitzblank die Küche strahlte in echt deutscher Sauberkeit, wie schnell die Arbeit 
von der Hand ging! Das war eine Freude zu sehen! Da kam ein Transport von 
600 Verwundeten hinauf, die in Waggons nach Ungarn gebracht werden sollten. Die 
Verwundeten bekamen frische Limonade. Sonst gibt's Tee mit Rum und Kaffee die 
Fülle, aber bei dem heißen Wetter einen Becher Limonade mit keimfreiem Wasser, — 
das kannten die Armen schon lange nicht mehr. Schwerverwundete erhielten Fleisch 
brühe, Wein. In einer Stunde konnte der Transport weiterrollen. 
Einen guten Freund, der aus dem Bahnhof als Arzt tätig war, und den ich schon 
längere Zeit nicht mehr gesehen hatte, nachdem wir fast acht Monate zusammen Krieg 
geführt hatten, wollte ich besuchen, und da saßen wir, nachdem die Arbeit getan, zu 
sammen im kleinen „Stüble", das sich die Heidelberger hinter ihrer Küche eingerichtet 
hatten. Als hätten sie ein Stück Deutschtum, echtestes Deutschtum, mit hinübergenom 
men, so schien es mir. In buntesten Mustern blinkten aus einem schmucken gezimmerten 
Sims Teller, Kannen und Schüsseln. Bilder an den Wänden. In Bechern gab's einen 
guten Schluck Rotwein, auf einer Schüssel appetitliche Brote. Und weiß der Himmel, 
wer an diesem Tisch schon alles gesessen hatte, österreichische Generalstabsoffiziere mit 
blitzenden Orden, preußische Generalstäbler, deutsche Offiziere. Da war keiner, der 
nicht mit offenen Armen aufgenommen wurde. Keiner, der nicht das Erinnern an eine 
Bölk-rkieg. IX. 4
	        
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