Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

316 Die Türkei während des zweiten Kriegshalbjahres 
Ein englisch-französisches Komplott gegen die Türkei 
Der „Tanin" veröffentlichte am 10., 12. und 14. Mai 1915 eine Reihe von Dokumenten 
und Enthüllungen aus denen hervorgeht, daß die türkische Polizei Beweise erhielt für 
eine Verschwörung größten Umfangs, an der hochgestellte englische und französische 
Diplomaten teilgenommen hatten. Die Verschwörung begann mit der Bildung einer 
geheimen Gesellschaft „die Patrioten", die teils politische, teils betrügerische Zwecke ver 
folgte. Nachdem das Komplott, das zur Ermordung Mahmut Schesket Paschas 
führte, dank der entschiedenen Maßnahmen der türkischen Regierung mißlungen war, 
nahmen die Verschwörer ihre Tätigkeit in Paris wieder auf, wo Scheris Pascha wegen 
des ihm zur Verfügung stehenden Vermögens den Mittelpunkt aller Umtriebe bildete. 
Auch die seinerzeit in contumaciam zum Tod verurteilten Verschwörer Prinz Sabah- 
Eddin, Scheris Pascha, der frühere türkische Gesandte in Stockholm, Sadik-Bey, der 
Führer der aufgelösten Offizierflieger, eine Anzahl Griechen, sowie Mitglieder der 
revolutionären Partei des armenischen Komitees Hinschak sollen der Gesellschaft ange 
hört haben. Der Sitz der Verschwörung wurde dann nach Athen verlegt, die Leitung 
lag in den Händen des dortigen englischen Botschafters Eliot. Auch Veniselos, der 
frühere Gesandte in Konstantinopel, Panas, und der Gesandtschastsattach« Bukas sollen 
beteiligt gewesen sein. Der Zweck der Verschwörung war der Sturz der türkischen 
Regierung, die Zerstörung der Flotte und die Ermordung der deutschen Offiziere, woraus 
man mühelos in Konstantinopel einzuziehen hoffte. In Händen der Polizei befindet sich 
die Aufstellung eines neuen Kabinetts mit Scheris Pascha als Großvesier, ferner eine 
Liste von künftigen Gesandten und anderen Beamten. Vielleicht wäre der Plan ge 
glückt, wenn man sich nicht bei der Auswahl des Polizeidirektors getäuscht hätte. Ge 
rade Midhat Effendi aus Akufa in Albanien, der dafür auserlesen war, der Verschwö 
rung aber nur beitrat um alle Pläne kennen zu lernen, übergab sämtliche Geheimnisse 
der Organisation mit den Beweisen der Polizei. Aus dem Material geht hervor, daß 
Lord Kitchener auf den Kopf des Ministers Talaat Bey einen Preis von 400000 Mark 
gesetzt und dem Offizier, der das Signal zum Aufruhr in Stambul geben sollte, 
20000 Mark versprochen hatte. 
Vom türkischen Wittschaftsleben 
„Das Wirtschaftsleben des ottomanischen Reiches hat," wie der „Täglichen Rund 
schau" aus Konstantinopel Ende März 1915 geschrieben wurde, „bisher allen Stürmen 
von außen mit einer bewundernswürdigen Kraft widerstanden. Auch in diesem Kriege 
hat die Türkei ihre alte wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit bewiesen; daneben zeigen 
sich aber Spuren eines neuen Geistes, die dartun, daß auch in wirtschaftlicher Hinsicht 
eine Summe wichtiger zukunftsreicher Arbeit geleistet worden ist." 
„Die Türkei ist vollkommen in der Lage, die finanziellen Kosten des Kriegs zu tragen," 
erklärte Dschavid Bey anläßlich seines Besuches in Berlin Ende Februar 1915. „Man 
darf eben nicht übersehen, daß in der Türkei ein großer Teil des militärischen Aufwands 
durch Ausgabe von Requisitionsscheinen gedeckt werden kann, deren Einlösung einem 
späteren Zeitpunkt vorbehalten wird." Außerdem wurden als Ergebnis der Verhand 
lungen Dschavid Beys in Berlin und Wien und auf Grund eines Gesetzes vom 13. April 
1915, am 11. Juni 1915 Kassenscheine zu einem türkischen Pfund im Gesamtbetrag 
von 150 Millionen Franken in den Verkehr gesetzt, die Zwangskurs haben und sechs 
Monate nach Friedensschluß in Konstantinopel in Gold rückzahlbar sein werden. Diese 
Kassenscheine find weder Schatzscheine, noch Banknoten, noch Papiergeld, sondern Gold 
bons, die im Gesamtbetrag durch das Gold gedeckt sind, das als Ergebnis der von
	        
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