Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

178 Der türkische Krieg von Ende Februar bis Anfang August 1915 
eine Festung, mit deinen Wunden dem Feinde entgegen. Du hast das Aussehen eines 
Unterdrückers und bist doch ein Unterdrückter, in deiner Eltern Heim ein Fremder, auf 
deines Vaters, deiner Mutter Schoße eine Waise. 
Dieses Anatolien, dieses Land der Witwen, ist dir wie eine Stiefmutter nur eine 
Peinigerin. Du bist das Schwert des Ostens, das nimmer in die Scheide fährt. Ge 
hämmert wirst du zäh und niedergeschmettert zerbrichst du. Aber aus jedem Stück von 
dir ziehst du einen Funken, aus jedem Funken einen Blitz. 
Ja, Türke, du besitzest eine göttliche Kraft, einen Born, der nie versiegt! 
Die politische Bedeutung, die Lage und die 
Verteidigung der Dardanellen 
Von Generalmajor a. D. KarlBahn 
Der Kamps um die Dardanellen ist sowohl militärisch wie politisch einer der span 
nendsten Vorgänge dieses Krieges. 
Militärisch, weil sein Ausgang die Entscheidung darüber brachte, ob eine von 
Natur so außerordentlich begünstigte Küstenbefestigung, wenn sie gut verteidigt wird, 
dem Angriff einer großen modernen Flotte zu widerstehen vermag; politisch, weil keine 
der Erwartungen und Berechnungen, die an dieses Unternehmen geknüpft worden sind, 
in Erfüllung gegangen ist, und weil man sich nicht vorstellen kann, wie der Jahrzehnte 
lange Gegensatz der Verbündeten wegen Beherrschung der Dardanellen überbrückt und 
die widerstrebenden Interessen ausgeglichen werden könnten. 
Anlaß zu diesem militärisch höchst gewagten Unternehmen war die Notwendigkeit, die 
Dardanellen für den Verkehr des Dreiverbandes zu öffnen, um das russische Getreide, 
das für eine englische Anleihe verpfändet war, auszuführen, und um Rußland mit 
Waffen und Munition zu versorgen, die es so dringend benötigt, aber auf anderem 
Wege kaum oder nur unter sehr großen Schwierigkeiten und Zeitverlusten erlangen 
kann. Die Oeffnung der Dardanellen wäre auch für die Verwertung der rumänischen 
Ernte von entscheidender Wirkung gewesen. Wäre sie durch die Dardanellen zu ver 
schiffen, so fiel sie dem Dreiverbände zu und war den Zentralmächten entzogen. Jetzt 
kann sie nur diesen zufallen, weil sie aus dem Landwege ausgeführt werden muß. 
Neben diesem Anlaß war ein Hauptzweck, die noch immer zögernden neutralen 
Staaten, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Italien, die alle an dem zukünftigen 
Besitz von Konstantinopel und den Meerengen hervorragend interessiert sind und zum Teil 
selbst diesen Besitz erstreben, an die Seite des Dreiverbandes zu zwingen. Aus die Er 
füllung dieser Erwartung war das ganze Unternehmen augenscheinlich aufgebaut, denn 
sonst wäre es unverständlich, wie es mit so völlig unzulänglichen Mitteln hätte begonnen 
werden können. In erster Linie war auf die Unterstützung der Flotte und eines Lan 
dungsheeres Griechenlands gerechnet, die auch gewährt worden wäre, wenn nicht der 
König im letzten Augenblick eingegriffen hätte. Daneben war der Vormarsch der Bul 
garen von Westen her über die stark befestigte Linie von Adrianopel—Enos unmittelbar 
aus Konstantinopel gedacht. Dadurch wären bedeutende türkische Kräfte gefesselt und 
dem Kampfe aus Gallipoli entzogen worden. 
Alle diese politischen Hoffnungen und Berechnungen blieben unerfüllt. 
Politisch ganz besonders interessant ist der Gegensatz zwischen Rußland und Eng 
land, wem die tatsächliche Herrschaft über die Dardanellen zufallen soll. Rußland will 
unter allen Umständen den Besitz von Konstantinopel und die völlig uneingeschränkte Herr 
schaft über das Schwarze und das Marmarameer und über Bosporus und die Darda-
	        
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