Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Der Vatikan während der ersten Kriegsmonate 173 
mehreren päpstlichen Handschreiben klar und wiederholt zum Ausdruck gebracht wurde, 
so in der Enzyklika vom 1. November 1914, in der Weihnachtsrede an die Kardinäle, 
in der konststorialen Ansprache vom 21. Januar 1915 (vgl. VI, S. 315, 316), in zahl 
reichen Briefen des Papstes an die Kardinäle und Prälaten, und zuletzt in dem Bries 
vom 27. Mai 1915 an den Dekan des Heiligen Kollegiums (vgl. VI, S. 318). Diese 
amtlich veröffentlichten Dokumente geben genau die Absicht des Papstes wieder und der 
Heilige Stuhl übernimmt die Verantwortlichkeit dafür. Die andern Dokumente, d. h. 
die privaten Veröffentlichungen, mit denen wir uns beschäftigt haben, und auch dasjenige, 
von dem heute die Rede ist, enthalten in Wirklichkeit mehrere Ungenauigkciten, von 
denen ein Teil so offensichtlich ist, daß sie aus den ersten Blick erkennbar sind; wir 
glauben, daß es unnötig ist, sie noch besonders hervorzuheben." 
Der Friedensaufruf des Papstes zum Jahrestage des Kriegsausbruchs 
Am 28. Juli 1915 erließ Papst Benedikt XV. folgenden Aufruf an die kriegführenden 
Völker und ihre Staatsoberhäupter: 
„Als wir, obwohl unverdienterweise, auf den apostolischen Stuhl berufen wurden, als 
Nachfolger des Papstes Pius X., dessen heiliges und wohltätiges Leben abgekürzt wurde 
durch den Schmerz, den ihm der in Europa soeben ausgebrochene brudermörderische Kampf 
verursacht hatte, erlitten auch wir, als wir einen besorgten Blick auf die blutgetränkten 
Schlachtfelder warfen, den Schmerz eines Vaters, der sein Haus durch ein heftiges Ge 
witter verheert und verödet steht. Wir gedachten mit unaussprechlichem Schmerz un 
serer vom Tode niedergemähten jungen Kinder, wir empfanden in einem durch die christ 
liche Nächstenliebe weit gewordenen Herzen den ganzen furchtbaren Schmerz der vor der 
Zeit zu Witwen gewordenen Mütter und Gattinnen und das untröstliche Weinen der 
ihrer väterlichen Leitung allzufrüh beraubten Kinder. In unserer Seele, die an der 
quälenden Furcht zahlreicher Familien Anteil nahm und die die gebieterischen Aufgaben 
kennt, die uns durch die in diesen so traurigen Tagen uns anvertraute Mission des 
Friedens und der Liebe auferlegt sind, faßten wir alsbald den festen Entschluß, unsere 
ganze Macht der Versöhnung der kriegführenden Völker zu weihen. Und wir gaben 
dies feierliche Versprechen dem göttlichen Erlöser, der um den Preis seines Blutes alle 
Menschen zu Brüdern machen wollte. Worte des Friedens und der Liebe waren die 
ersten, die wir als oberster Seelenhirt an die Nationen und an ihre Oberhäupter rich 
teten. Allein unser herzlicher und dringender Rat eines Vaters und Freundes wurde 
nicht gehört. Das hat unsern Schmerz gesteigert, unseren Entschluß jedoch nicht er 
schüttert. Daher fuhren wir fort, uns mit Vertrauen an den Allmächtigen zu wenden, 
der die Seelen und Herzen der Untertanen wie der Könige in seinen Händen hat, und 
baten ihn, der furchtbaren Geißel Einhalt zu gebieten. Unserem bescheidenen, aber herz 
lichen Gebet wollten wir alle Gläubigen sich anschließen sehen, und um es wirksamer 
zu gestalten, trugen wir Sorge, daß Werke der christlichen Buße es begleiteten. 
Heute aber an diesem traurigen Jahrestage des Ausbruchs dieses furchtbaren Kon 
flikts entringt sich unserem Herzen noch glühender der Wunsch, daß der Krieg bald zu 
Ende sein möge. Wir erheben unsere Stimme noch lauter, um den väterlichen Ruf 
nach Frieden hören zu lassen. Möge dieser Ruf den furchtbaren Lärm der Waffen 
übertönen, die kriegführenden Völker und ihre Oberhäupter erreichen und beide milderen 
und freundlichen Absichten zugänglich machen. Im Namen des heiligen Gottes, im 
Namen unseres Vaters und Herrn im Himmel, im Namen des gesegneten Blutes Jesu, 
des Preises der Erlösung der Menschheit beschwören wir die kriegführenden Völker bei 
der göttlichen Vorsehung, dem entsetzlichen Blutbad, das seit einem Jahre Europa ent 
ehrt, von nun an ein Ende zu machen. Es ist Bruderblut, das man zu Lande und zu
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.