D i e Schlachten am Jsonzo
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umdrehen drinnen, und nun schmettern unsere Kolben; das Bajonett ist nicht schnell
genug, der Kolben ist besser, der macht ganze Arbeit. Schreiend und heulend stürzen
die Italiener in wilder Flucht davon, als säße ihnen der leibhaftige Gottseibeiuns im
Nacken. Wir hinter ihnen her, was es Zeug hält, mit ihnen hinein in ihre zweite, in
die dritte Stellung, bis sie atemlos den Hang wieder hinabkollern, den sie am Nach
mittag so schwer heraufgestiegen. Dann fegt unser Feuer das Gelände rein. Von neuem
setzt aus hundert Schlünden das Artilleriefeuer ein, Freund und Feind ohne Unterschied
bestreichend. Die Dämmerung schwindet. Ein kühler Luftzug streicht zum Meere hin,
um uns tobt von neuem die Hölle, speit Eisen, Feuer, Rauch und Gestein. Aber wir
haben die Höhe wieder, von der jubelndes Hurra zum Himmel dringt. („Frankfurter Ztg.">
In Stadt und Festung Görz
Die Gruppe von Berichterstattern, die Gelegenheit hatte. Ansang August 1915 in
dem malerischen, wie in einem Lorbeerhain eingebetteten Görz zu weilen, konnte nach der
Schilderung des Kriegsberichterstatters L. v. B. in der „Frankfurter Zeitung" feststellen,
welche Schäden die Stadt durch die oftmalige Beschießung aus schwerer italienischer
Artillerie erlitten hatte. Sie waren im Verhältnis zur langen Dauer derselben eigent
lich nicht bedeutend. Die staatlichen Gebäude, Kasernen, Magazine und der Bahnhof, sowie
Brücken und Stege über den Jsonzo und das auf einem Hügel gelegene Kastell, einst
Restdenzschloß, jetzt Kaserne, bildeten bis zum 24. Juni 1915 oas Hauptziel der Be
schießung; erst von dieser Zeit an richteten die Italiener ihr Feuer auch aus die Stadt.
In der Via Trento und der Via Morelli fielen Granattreffer ein; in ersterer wurde ein
ganzes Hauseck zerstört; ebenso hatte die Stadt mehrere Luftangriffe auszuhalten. Eine
zeitlang herrschte schreckliche Hitze bis zu 42 Grad. Die Dächer weisen zahlreiche Spuren
der Beschießung auf; die Brücken waren beständig unter Feuer. Auch Jnfanteriegeschosse
erreichten die Stadt; ein Offizier wurde durch ein solches im Kaffee Corso getötet.
Trotzdem geht die zurückgebliebene Bevölkerung ruhig ihrer Beschäftigung nach; und am
zwei Kilometer langen, mit herrlichen Platanen gesäumten Corso Francesco Giuseppe
ergeht sich täglich eine Menge Spaziergänger. Görz, die Gartenstadt, betreibt umfang
reiche Blumen- und Gemüsezucht; nun sind die Scheiben oer unzähligen Glashäuser durch
den Luftdruck der schweren Granaten fast durchwegs in Scherben verwandelt."
„Es herrscht keine Lebensmittelnot in Görz," wird der „Neuen Zürcher Zeitung"
geschrieben, „vielleicht weil von dreißigtausend Personen der Zivilbevölkerung nur fünf
tausend zurückgeblieben sind. Nur wenige konnten ihr Hab und Gut bergen, und mancher
würde hierher zurückkehren, wenn es möglich wäre, Uebersiedelungsfuhrwerk bis zur
nächsten Bahnstation zu erhalten. So sind nur Einwohner zurückgeblieben, die als Unter
nehmer oder Angestellte den einkaufenden Soldaten dienen und solche, die nichts als ihre
geringe bewegliche Habe besitzen und fürchten, alles zu verlieren, wenn sie ihre Wohnung
verlassen. Ganze Häuserreihen sind menschenleer. In den Hotelrestaurants zahlt man
mäßig erhöhte Preise, und die Hotelzimmer sind nur im untersten Stockwerk verteuert,
weil man hier die Granatengefahr für geringer hält. Niemand kümmert sich aber um
Vorsichtsmaßregeln. Wenn abends das Gespräch vor den Haustüren allmählich ver
stummt, dröhnt der Geschützlärm desto heftiger, und italienische Gewehrkugeln irren gegen
Mauern und Holzläden, die verschlossen bleiben müssen.
So liegt die Stadt Görz seit Monaten zwischen der Jnfanteriestellung und der eigenen
Artillerie. Tag und Nacht steht jedermann unter dem Eindrücke der ohne Pause über
die Köpfe sausenden Artilleriegeschofse, und namentlich des Nachts wird die Zwiesprache
der Kanonen so laut, daß an ruhigen Schlaf nur zu denken ist, wenn man sich an die
ständige Gefahr so gewöhnt, wie es die Görzer Bevölkerung offenbar vermochte."
Mllerkrisg. VIII. 8