Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

D i e italienischen Angriffe aus Tirol 61 
einem österreichisch-ungarischen Bataillon besetzt. Bis Mitte Juni ereignete sich jedoch 
nichts und so wurde Zeit gewonnen, die Stellungen häuslich einzurichten, sie auszubauen 
und bequemer zu gestalten. Jetzt bieten doppelwändige Baracken mit Oefen genügende 
und geschützte Unterkunft, auch eine pünktliche Verpflegung ist gesichert. 
„Mitte Juni 1915 kam es," so erzählt der Kriegsberichterstatter Kurt Freiherr 
v. Reden im „Neuen Wiener Tagblatt", „zum ersten Zusammenstoß mit den Italienern. 
Es war die Meldung eingetroffen, daß sie die Grenze überschritten und den östlichen 
Teil des langen Gebirgszuges erstiegen hätten, der von der Pfannspitze bis zurück zum 
Hornischeck führt. Das konnte natürlich nicht geduldet werden, und fo gingen unsere 
Truppen längs des Kammes gegen den „Eisenreich" vor; so heißt nämlich der noch auf 
unserem Gebiet befindliche Ostteil dieses Gebirgsstockes. Sein ganzer Nordhang, ein 
steil abfallender Fels, war noch mit drei bis vier Meter dicken Schneewächten bedeckt. 
Auch die südliche Seite, also die dem Feind zugekehrte, trug einen Meter hohen Neu 
schnee, durch den die Soldaten sich den Weg erst schaufeln mußten. Unsere Patrouillen 
meldeten aber nicht nur den Eisenreich, sondern auch die Pfannspitze wieder frei vom 
Gegner. Ihn hatte das böse Wetter verjagt, und wir besetzten nun statt feiner diese 
beiden Höhen und schoben so unsere Verteidigungslinie bis an die Grenze selbst vor. 
Als das Wetter klarer wurde, sahen wir das vom Schnee vertriebene Alpinibataillon 
beim Col del Frugnoni an geschützter Stelle unten lagern und menagieren. Unsere 
Truppen fuhren mit Hurra über den Schnee ab und stürzten sich auf die völlig über 
raschten Alpini, die alles, aber gar alles zurücklassend, auseinanderstoben. Auf diese 
Art haben wir zwar keine Gefangenen, wohl aber sehr viel Beute gemacht und das 
ganze eben fertige Mittagmahl der Italiener aufgegessen; es war eine ausgezeichnete 
Stufato mit Makkaroni. 
Wir schoben uns nun langsam durch Anlage immer neuer Schützengräben auch längs 
der Talhänge näher an die Italiener heran, die sich selbst — unter genauester Wahrung 
unserer Grenzhoheit — auf ihrem Gebiet etwa einen Kilometer von der Grenze 
entfernt, musterhaft befestigten. Schließlich war fast eine ganze italienische Division 
gegen das Sextental bereitgestellt, und nun begann der italienische Artillerieangriff. 
28-Zentimeterhaubitzen bearbeiteten sie unsere Stellung auf Eisenreich, der Holl- 
Ibruckerspitze und dem Hornischeck; zugleich wirkten 10-Zentimetergeschütze von dem langen 
Rücken, der sich — bei Candide beginnend — zehn Kilometer nordwärts bis knapp an 
unsere Grenze erstreckt. Auch Gebirgsartillerie war am Nordende dieses Rückens, der 
dort Col Quaterna heißt, ausgestellt. Schließlich wollten die Italiener noch südlich des 
Kreuzbergsattels auf der Cima Collesei eine flankierende Batterie in eine schön vor 
bereitete Stellung bringen; als aber diese eben im Auffahren war, zerstörte schon der 
dritte von uns in diesem Augenblick abgegebene Schuß eines dieser Geschütze. Seither 
wurde der Versuch, dort Artillerie in Stellung zu bringen, nicht mehr wiederholt. Zu 
jener Zeit waren auch unsere Patrouillen ungemein tätig, brachten täglich wichtige 
Meldungen und beunruhigten nachts die Italiener immer durch kleinere Ueberfälle. Bei 
einem Bataillon, dessen Kommandant an dem Ausbau unseres Widerstandes im Sextener 
Abschnitt vom ersten Tag an hervorragend mitgearbeitet hat, gab es nur für Patrouillen 
in dieser kurzen Zeit sieben große, drei kleine silberne und vier bronzene Tapferkeits 
medaillen. Dagegen erschien die erste italienische Patrouille erst Ende Juni auf öster 
reichisch-ungarischem Staatsgebiet; sie kam aber nicht weit. 
Vom 1. bis 10. Juli 1915 machten die Italiener mit der Beschießung unserer Stellungen 
ernst; so bekam eine einzige davon nur an einem Vormittage 93 schwere Bomben, die Trichter 
bis zu 15 Meter Durchmesser und vier Meter Tiefe in die Erde schlugen. Unsere Mann 
schaft benützt jetzt diese Trichter, die sich bald mit Regenwaffer füllten, als natürliche
	        
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