Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

Die italienischen Angriffe auf Tirol 53 
ein österreichisch-ungarischer Gendarmerieposten unter dem Kommando des Wachtmeisters 
Reyrer, verstärkt durch Tiroler Standschützen, die Steilhänge besetzt, die von der Lasrauner 
Hochebene zum Asticotale abfallen. Feindliche Ausklärungspatrouillen, die täglich vor 
zudringen versuchten, wurden mit wohlgezielten Schüssen in Schach gehalten, ohne daß 
sie den Zweck ihrer Vorstöße irgendwie erreichen konnten. Die Steilhänge von Belfiore 
versperrten jeden Weg. Nach einem später aufgefundenen Befehl erhielt nun am 
13. Juni 1915 die südlich Casotto gelegene dritte Kompagnie des italienischen 71. In 
fanterieregiments den Auftrag, unsere Schützen aus ihren Felsenstellungen zu vertreiben, 
Belfiore zu nehmen und gegen die österreichische Seite des Asticotales zu vorzurücken. 
In den ersten Morgenstunden des 14. Juni bemerkte Reyrer mit seinen Leuten das 
Nahen des Feindes. Ein Zug näherte fich zum frontalen Angriff langsam den öster 
reichisch-ungarischen Stellungen, zwei andere wurden vom Hauptmann der Kompagnie 
persönlich in die Schluchten der Cima Norre geführt, wo nach der Meinung des Gegners 
eine Umfassung möglich gewesen wäre. Wachtmeister Reyer erhielt durch seine Vor 
posten, die alle Felssteige besetzt hatten, von dem geplanten Umsassungsversuch bald 
Kenntnis, und eben so rasch war seine lange vorbereitete Abwehr des Angriffes im 
Gange. Die Italiener stiegen den steilen Schluchtweg hinan, aber fie kamen nicht weit. 
Eine ungeheure Steinlawine donnerte plötzlich auf sie herab und prasselte mitten in die 
marschierende Kolonne hinein. Reyrer hatte die Holzstangen entfernen lassen, die oben 
die aufgeschichteten Felstrümmer festgehalten hatten, und ein Hagel von Steinblöcken über 
schüttete den Gegner. Viele wurden tödlich getroffen, andere stürzten schwer verwundet unter 
Wehrufen zusammen, der Rest, der der Lawine noch ausweichen konnte, drängte sich aus 
dem schmalen Felssteig zusammen und suchte vergebens nach einem Schutz. Stein aus 
Stein rollte den Hang hinab, und mitten hinein in den flüchtenden Haufen trafen die 
Kugeln der Schützen. Jeder Ausgang war versperrt, jedes Entkommen unmöglich. 
Wie eine Erlösung war es den Resten der vernichteten Abteilung, als Reyrer an sie die 
Aufforderung richtete, die Waffen wegzulegen und sich zu ergeben. Nur einer, der Haupt 
mann der Kompagnie, versuchte die Flucht. Auf einem Felssteig kletterte er seitwärts, 
aber man hatte ihn beobachtet, und eine nachgesandte Patrouille holte ihn bald ein. 
Inzwischen war auch der frontale Angriff gegen die österreichisch-ungarischen Stellungen 
im Gange. Er endete unter schweren Verlusten des Gegners mit einem raschen Rückzug 
der Italiener, die auch ihre Toten und Verwundeten auf dem Kampfplatz zurückließen. 
Zwei Offiziere und 58 Soldaten, darunter sechs in schwer verletztem Zustande, wurden 
gefangen genommen. 
Wachtmeister Reyer ist für die kühne Tat mit der goldenen Tapferkeitsmedaille aus 
gezeichnet worden. Die erste „Goldene", die an der Südwestfront verliehen wurde. 
Die Kämpfe im Gebiet der Marmolata am 18. Juni 1915 
Der Tirolerkrieg zeitigt wohl seine phantastischen Formen in den Dolomiten. Denn 
auch auf diesen Zinnen, Türmen und Felsobelisken ist er jetzt zu Hause. Aben 
teuerlich wie diese lotrechten, schartigen Säulen ist hier der Kampf; hart wie das 
Gestein sind die Leute, deren Schlachtfeld hier manchmal handbreite Felsleisten sind. 
Patrouillengesechte leiteten die Kämpfe ein. Auf halsbrecherischen Pfaden schlichen sich 
die Aufklärer an den Feind. An Felsrändern gingen sie vor, wo nur aus dem Bauch 
ein Weiterkommen war. Dann begann der italienische Anmarsch und im Morgengrauen 
des 18. Juni 1915 der Angriff der Italiener gegen die österreichisch-ungarische Stellung 
am Paß Le Selle, den der Kriegsberichterstatter Kurt Freiherr v. Reden im „Neuen 
Wiener Tagblatt" ausführlich und höchst anschaulich folgendermaßen schildert: „Das 
Kampfgebiet ist hier folgendes: Zwei Täler mit ziemlich flacher, breit ausladender Höhen-
	        
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