Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

310 Die Schweizerische Eidgenossenschaft während des ersten Kriegsjahres 
die Wiederaufnahme der Arbeit in den Fabriken (mitunter sogar für das Ausland), durch 
ein wenn auch nicht reichliches, so doch wenigstens zulängliches Angebot an Nahrungs 
mitteln und Kohlen (letztere ausschließlich aus Deutschland), durch die schrittweise Be 
seitigung der Sperrung von Bank- und Sparkassenguthaben und durch den allmählichen 
Abbau der das Moratorium ersetzenden Bestimmungen." 
Fast unmertlich ging dann um die Jahreswende 1914/1915 der zweite in den dritten 
Abschnitt über, für den zunächst ein ziemlich stabiles Gleichgewicht infolge durchgängiger 
Anpassung an die neuen Bedürfnisse charakteristisch ist. 
Wegen des zunächst fast völligen Stillstandes verschiedener Industrien, z. B. des Bau 
gewerbes, der Uhrenindustrie, war die Zahl der Arbeitslosen, trotz großer Abwan 
derung von Ausländern — fast sämtlicher italienischer Erd- und Bauarbeiter — ge 
waltig angewachsen, so daß ausgedehnte Notstandsaktionen von Staats wegen unter 
nommen werden mußten, die erfreuliche Resultate von Opferwilligkeit zeitigten. 
Sehr erschwert war die Arbeit der Industrie durch die Schwierigkeiten des Nach 
richtenverkehrs. Mit Deutschland und Oesterreich vollzog er sich bald wieder in fast 
normaler Weise, die Briefzensur ausgenommen. Aber der Brief« und Telegrammaus 
tausch mit dem weiteren Ausland war schlimm bestellt. Er blieb wegen der Langsam 
keit der Post fast ganz auf den Draht angewiesen. Da die englische und amerikanische 
Briefpost oft wochenlang ausblieb, wurde in den ersten Kriegsmonaten der schweizerischen 
Postverwaltung der für das zwanzigste Jahrhundert immerhin etwas seltsame Vorschlag 
gemacht, die Briefpost zwischen der Schweiz und England durch einen besonderen Kurier 
zweimal wöchentlich besorgen zu lassen. Dieser etwas abenteuerliche Gedanke wurde 
allerdings bald fallen gelassen. Die Mehrzahl der Kabeltelegramme schweizerischer 
Exporthäuser und Banken wurden nicht befördert, die dafür bezahlten Gebühren nicht 
zurückbezahlt. Ein einziges St. gallisches Stickereihaus hat im August 1914 für 2400, 
im September 1914 für 2700 Franken Depeschen aufgegeben, von denen die aller 
wenigsten ihren Bestimmungsort erreichten! 
Die schweizerische Handelsstatistik zeigt für 1914 einen Rückgang der Einfuhr 
um 441 Millionen; die Einfuhr betrug 1478 Millionen gegenüber 1919 Millionen im 
Jahre 1913. Die Ausfuhr bezifferte sich aus 1187 Millionen gegenüber 1376 Millionen, 
der Ausfall somit auf 189 Millionen. 
Die Seidenindustrie hatte Aussicht auf ein ersprießliches Jahr. Gleichwohl ist 
die Seidenstoff-Fabrikation, die ihren Hauptfltz in Zürich hat, vom Aus 
bruch der Feindseligkeiten insofern besonders schwer getroffen worden, als sie im ersten 
Halbjahr 1914 mit einer Ausfuhr von 1226000 Kilogramm im Werte von 62576000 
Franken gegen 1913 von 1050000 Kilogramm im Werte von 51830000 Franken Re 
kordziffern erreicht hatte und infolgedessen große Mengen Rohmaterialien zu verhältnis 
mäßig hohen Preisen angekauft worden waren. Dazu kamen dann noch gewaltige Preis 
stürze auf dem Markte für Rohseiden. Ende 1914 trat insofern eine Verbesserung der 
Verhältnisse ein, als nach England und Kanada, nach zeitweise völligem Versagen der 
Ausfuhrmöglichkeit, wieder exportiert werden konnte. Dank der starken Ausfuhr in den 
ersten sieben Monaten von 1914 übertrifft das Ergebnis des Jahres 1914 dasjenige 
des Vorjahres immerhin noch um drei Millionen Franken. In der Folge erzielte die 
schweizerische Seidenweberei auf dem Weltmärkte aus der Unmöglichkeit der Ausfuhr 
der deutschen und österreichischen Industrie und aus der beschränkten Lieferungsmöglich 
keit der französischen Weberei gewisse Vorteile. Wenn trotz des allgemeinen Rückgangs 
im Verbrauch von Seidenwaren die schweizerischen Fabriken annähernd im vollen Um 
fange arbeiteten, so war dies wohl dem Umstand zu verdanken, daß ihnen Aufträge zu 
gewiesen wurden, die sonst Lyon, Saint-Etienne, Krefeld und Wien erhielten.
	        
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