Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

302 Die Schweizerische Eidgenossenschaft während des ersten Kriegsjahres 
Etwas mehr Staub aufgewirbelt hat eine Grenzverletzung durch englische Flieger 
(vgl. III, S. 185 f.). Am 21. November 1914 überflogen einige englische, vielleicht auch franzö 
sische Luftfahrzeuge, von Frankreich herkommend, schweizerisches Gebiet. Sie griffen hierauf in 
Friedrichshafen die Zeppelinwerst an. Angesichts dieser offenbaren Verletzung der schweize 
rischen Neutralität beauftragte der Bundesrat die schweizerischen Gesandten in London und 
Bordeaux, bei der britischen und bei der französischen Regierung energisch zu protestieren 
und für die Verletzung der schweizerischen Neutralität Genugtuung zu verlangen. Die 
betreffenden Regierungen ordneten strenge Untersuchung des Falles an. 
Der französische Botschafter hat dann im Namen des französischen Ministers des 
Aeußeren die Erklärung abgegeben, die französische Regierung lege mehr denn je Gewicht 
auf die schweizerische Neutralität, sie wolle, daß diese durch ihre Truppen beobachtet werde, 
einerlei, ob es sich um das Gebiet der Eidgenossenschaft oder um den darüber liegenden 
Luftraum handle. Der Vorfall selbst, insofern er erwiesen sei, werde aufrichtig bedauert 
und könne gewiß nur einer Unachtsamkeit zugeschrieben werden. 
Die britische Regierung hat am 6. Dezember 1914 durch ihren Gesandten dem 
Bundesrat eine Note überreichen lassen, in der sie erklärt, die Flieger, die am Angriff auf 
die Zeppelinwerft teilnahmen, hätten die bestimmte Weisung gehabt, schweizerisches Gebiet 
nicht zu überfliegen; wenn sie es dennoch getan hätten, so sei das aus Unachtsamkeit und 
auf die Schwierigkeiten zurückzuführen, in großer Höhe die wirkliche Lage eines Luftschiffes 
festzustellen. Auf Grund der ihr von schweizerischer Seite unterbreiteten Beweise für 
das Ueberfliegen schweizerischen Gebietes halte die britische Regierung darauf, dem 
Bundesrat zu versichern, daß dies entgegen ihren Absichten geschehen sei und spreche 
ihm ihr lebhaftes Bedauern aus. Die britische Regierung wünscht jedoch im Anschlüsse 
daran festzustellen, daß aus den ihren Fliegern erteilten Instruktionen und aus dem 
dem Bundesrate wegen ihrer Nichtbeachtung ausgesprochenen Bedauern keine allgemeinen 
Schlüsse aus ihre Anerkennung eines nicht unbestritten geltenden völkerrechtlichen Grund 
satzes betreffend die Gebietshoheit über dem Luftraum gezogen werden können. 
Der Bundesrat hat den beiden Regierungen für ihre Erklärung gedankt und die 
Gelegenheit benutzt, der britischen Regierung neuerdings mitzuteilen, daß mit Rücksicht 
darauf, daß keine völkerrechtliche Beschränkung der Gebietshoheit über dem Luftraum 
bestehe, er die letztere in vollem Umfange geltend machen müsse und schon bei Anlaß 
der Mobilisation der Truppen entsprechende Weisungen zu deren Schutze erlassen habe. 
Damit war der Zwischenfall erledigt. 
Das Gerücht, das wiederholt in Frankreich und Italien auftauchte, daß die Schweiz 
einen Teil des gelieferten Getreides auf Grund eines „Geheimvertrags" an Deutschland 
abtrete, konnte allein durch den Hinweis darauf widerlegt werden, daß die Schweiz nicht 
einmal genügend Zufuhr für ihren eigenen Bedarf erlangen kann, geschweige denn noch 
etwas abzugeben vermöchte. Sonderbare Nachrichten, an denen ebenfalls kein wahres 
Wort ist, wurden in Deutschland über die welsche Schweiz verbreitet. So z. B., in 
Genf würden Eiserne Kreuze hergestellt, die jedermann für 50 Rappen kaufen könne. 
Eine daraufhin angestrengte polizeiliche Untersuchung ergab die völlige Haltlosigkeit dieser 
Meldung. Ebenso ungerechtfertigt ist die Anklage einzelner deutscher Zeitungen, daß 
westschweizerische Blätter in französischem Solde stünden. Das Märchen von einem 
österreichisch-schweizerischen Bündnisvertrag schließlich, das in den ersten 
Kriegsmonaten in Italien immer wieder auftauchte, ist durch die untadelhafte Haltung 
der Schweiz beim Ausbruch des italienischen Krieges gegenstandslos geworden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.