Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

A m Ende des ersten Kriegsjahres 
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Elemenceau aufgetreten; er verlangt Taten, nicht schöne Worte; es sei bereits genug ge 
schwatzt worden und das, was nötig sei, dürfe man ja doch nicht sagen. Auch Gustave 
Herv« ruft aus: „Nicht Reden tun uns not, sondern republikanische Taten!" 
So begnügte sich denn Präsident Poincars mit einer Botschaft an das Parla 
ment, die in feierlichen Sitzungen nach den Ansprachen des Präsidenten in der Kammer 
vom Ministerpräsidenten Viviani und im Senate von Justizminister Briand verlesen 
und darnach öffentlich angeschlagen wurde. Starke patriotische Erregung bemächtigte sich 
der Versammelten, als Dubost und Deschanel den unerschütterlichen Willen des Parla 
ments bekräftigten, die am 4. August 1914 verkündete heilige Einigkeit aufrechtzuerhalten, 
um auch weiterhin dem Lande das Beispiel der Entschlossenheit und der Arbeit zu geben, 
die das Geheimnis der Kraft Frankreichs waren und die die Grundlage des Sieges 
Frankreichs sein werden. Alle Parlamentarier hörten stehend die Reden Dubosts und 
Deschanels und die Verlesung der Botschaft Poincarss an, die folgenden Wort 
laut hatte: 
„Dieme Herren! Sie werden es natürlich finden, daß der Präsident der Republik es 
sich nach einem Kriegsjahre zur Ehre macht, der Nation und der Armee die Gefühle 
der Bewunderung und des Dankes zum Ausdruck zu bringen. Als ich vor zwölf Monaten 
dem Lande diese heilige Einigkeit anempfahl, die eine Bedingung des Sieges ist und 
bleibt, da zweifelte ich nicht daran, daß mein Ruf sofort gehört werden würde. Nur 
unsere Feinde, die Frankreich immer verkannt haben, konnten glauben, daß wir ihren 
brutalen Angriff durch unsere Zwistigkeiten unterstützen würden. Gerade in dem Augen 
blicke, in dem sie keck verkündeten, daß Paris in Aufruhr stehe, nahm unsere Hauptstadt 
jene ernste und gleichmütige Physiognomie an, in der sich der kalte Entschluß der Geister 
enthüllte. Von den größten Städten bis in die kleinsten Dörfer floß die große Strö 
mung der nationalen Brüderlichkeit, die in der Bevölkerung wie im Parlament sogar 
die Erinnerung an die bürgerlichen Zwistigkeiten tilgte. Arbeiter und Arbeitgeber, 
Bauern und Bürger, das ganze Volk stand auf gegen den Feind. 
Seit einem Jahre hat sich dieser Wille zur Eintracht nicht verleugnet. Nichts wird 
ihn schwächen. Wenn Deutschland auf die Zeit rechnet, um uns uneinig zu machen, so 
täuscht es sich heute ebensosehr wie im vergangenen Jahre. Die Zeit wird die Bande 
der französischen Familie nicht lockern, sondern sie immer fester knüpfen. Weil Frank 
reich einig ist, ist Frankreich groß und stark. Weil es einig ist, ist es zuversichtlich und 
ruhig. Jeden Tag sichert in der kleinsten Gemeinde die spontane Mitwirkung von 
Greisen, Frauen und Kindern den regelmäßigen Lauf des lokalen Lebens, bereitet die 
Aussaat, die Bewirtschaftung der Erde und die Einbringung der Ernte vor und trägt 
durch ihre Organisation der Arbeit dazu bei, in der Seele des Volkes die Geduld und 
Festigkeit zu erhalten. Jeden Tag bringen die Franzosen aller Parteien und aller Kon 
fessionen dem Staatsschätze ihre Opfergaben dar. Hände, welche die edle Spur der täg 
lichen Arbeit tragen, legen an den Bankschaltern die mühselig verdienten Goldstücke 
nieder. Ueberall gibt das Land ein wunderbares Beispiel eines und desselben Ge 
dankens, eines und desselben Entschlusses. Der großzügige Wetteifer, der die Tätig 
keiten Frankreichs anstachelte, sich an der Landesverteidigung zu beteiligen, der das 
Parlament mit patriotischer Sorge ermutigt, stärkt die öffentliche Einigkeit. 
Dieser Wetteifer kann und muß nicht nur die volle Harmonie aller politischen Ge 
walten, ohne die jede Unordnung zu befürchten wäre, sondern auch die notwendige Zu 
sammenarbeit jedes einzelnen guten Willens begünstigen. Die Schönheit des Volkes 
spiegelt sich hell in seiner Armee wider. Die Armee, die die Nation aus ihrem eigenen 
Stoffe gebildet hat, begriff sofort die Größe ihrer Rolle. Sie weiß, daß sie für die 
Wohlfahrt unserer Raffe und die Ueberlieferung der Freiheiten kämpft. Sie weiß, daß
	        
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