Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

286 Frankreich während des zweiten Kriegshalbjahres 
Verwaltung. Der Rückgang des Verbrauchs von Tabak, trotz des erhöhten Verbrauches 
der Armee, deuten auf große Not in den niederen Volksschichten, während der scharfe 
Rückgang in den Einnahmen von Post-, Telegraphen- und Telephon-Verwaltungen das 
Darniederliegen von Handel und Industrie ausweisen. Die Umsätze in Wertpapieren 
sind seit dem verflossenen Monat um weitere 10 Prozent zurückgegangen; die Umsatz 
steuer ergab 8 Prozent des Einganges im Vorjahre, der bereits abnorm niedrig war. 
Die Ziffern beweisen, daß Handel und Industrie in Frankreich stark reduziert, teil 
weise sogar völlig lahmgelegt find. Außerhalb der Armee herrscht in allen Verwaltungs 
und Erwerbskreisen fast Anarchie, die durch die Aufrechterhaltung des Moratoriums, 
das Mitte April für Wechsel und Vorschüsse auf Wertpapiere bis zum 25. Juli und 
für Sparkassen und Versicherungen zunächst auf 60 Tage und dann am 29. Juni mit 
einigen Einschränkungen abermals auf 60 Tage verlängert wurde, nur noch gefördert 
worden ist. Für die Aufhebung des Moratoriums ist von den verschiedensten Seiten, 
so von Charles Soulier, dem Präsidenten des Lyoner Handelsgerichts, in der „Revue 
Hebdomadaire" und auch von Gabriel Hanotaux eingetreten worden. Als aber Anfang 
Juli der Abgeordnete Revoile im Handelsausschuß der Kammer deswegen die Regierung 
interpellierte, erklärten der Finanz- und der Handelsminister, die Regierung beabsichtige, 
das Moratorium beizubehalten. Es sei deshalb wünschenswert, daß die Kammer vor 
läufig von der Erörterung des Antrages absehe. Der Finanzminister erklärte sodann 
zu dem Antrage auf Errichtung von Darlehenskassen für Handel und Industrie, daß 
der Handelsminister die Wiederaufnahme der Geschäfte soweit wie möglich begünstigen 
werde. Es sei jedoch schwierig, die Bildung von derartigen Darlehenskassen vor dem 
Ende des Krieges ins Auge zu fassen. Wohl weil die Regierung keine Mittel zur 
Bildung derartiger Kassen zur Verfügung hat. 
Eine Note des Arbeitsministeriums teilt die Ergebnisse der amtlichen Untersuchung 
über die Tätigkeit der kommerziellen und industriellen Unternehmungen Frankreichs nach den 
ersten acht Kriegsmonaten mit. Die Untersuchung erstreckte sich aus 22610 Unternehmungen, 
die in normalen Zeiten 1097 670 Arbeiter beschäftigt haben. Im August 1914 waren 
infolge der Mobilmachung nur 43 Prozent der Unternehmungen in Betrieb; ihre Anzahl 
stieg und erreichte endlich im Juni 1915 77 Prozent. Die Zahl der beschäftigten Arbeiter 
und Angestellten betrug im August 1914 34 Prozent, stieg bis Januar auf 59 und er 
reichte am 1. Juni 1915 65 Prozent. Am 1. Juni waren in der Tat 21209 Unter 
nehmungen in Betrieb, die 713 166 Arbeiter beschäftigten. 
„Auf eine wesentliche Steigerung der industriellen Tätigkeit ist," wie die „Frankfurter 
Zeitung" betont, „daraus jedoch noch keineswegs zu schließen; denn wenn man auch 
in Rechnung setzt, daß sich der französische Arbeitsbetrieb — viel langsamer und unvoll 
kommener als es in Deutschland geschah — allmählich auf die Kriegsbedürfnisse einstellt, 
so wird man doch nicht in der Annahme fehlgehen, daß die Verminderung der Arbeits 
losen zu einem sehr großen Teil einfach auf die Einberufungen zurückzuführen ist, die ja 
in Frankreich sowobl dem Alter wie der Tauglichkeit nach so ziemlich an der äußersten 
Grenze des Möglichen angelangt sind." 
Am Ende des ersten Kriegsjahres 
Die von Regierung und Parlament in Frankreich für den Tag der Jahresfeier des 
Kriegsbeginns, den 3. August 1915, geplante große Kundgebung fand nicht statt; es hatten 
sich nicht nur in sozialistischen und radikalen, sondern auch in konservativen und natio 
nalistischen Kreisen so beträchtliche Widerstände ergeben, daß sie abgesagt werden mußte. 
Am schärfsten gegen die Absicht der Regierung und der Parlamentsvorstände ist Herr
	        
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