Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

150 D i e Ereignisse an der We st front von Mai bisAugustl915 
hatten. Doch wurden sie zurückbefohlen, da lediglich beabsichtigt war, bis zum dritten 
Graben zu gelangen; und das war erreicht und mußte genügen. 
Nur an einer Stelle waren die dort vorstürmenden Leute von dem sehr starken Draht 
hindernis aufgehalten worden, da dort eine unserer Minen nicht losgegangen war. Sie 
gerieten in das Feuer eines französischen Maschinengewehres. Da wurde ihnen das 
Sprengloch, welches die französische Mine gerissen hatte, zur Rettung. Unter Führung 
eines jungen, selbst schon verwundeten Reserveoffiziers besetzten 17 durchweg verwundete 
Mann den tiefen Trichter, dessen Spitze mit Sprengtrümmern ausgefüllt war, gruben 
sich Schießauftritte, sowie als eine Art Unterstand ein einfaches Schlupfloch in der 
Seitenwand des Trichters und harrten stundenlang kämpfend da aus, bis Hilfe kam. 
Der schneidige Führer hatte die Verwundeten verbunden und, da das Verbandzeug nicht 
langte, sich selbst um die blutige Stirn einen abgeschnittenen Hemdsärmel wie einen 
„Turban" gewunden. So fand man die Tapferen, die sich gegen eine erdrückende 
Uebermacht behauptet hatten. „Nur Persönlichkeit ist es, die uns diesen Krieg 
gewinnen läßt," so schloß der Vortragende seinen Bericht. 
Der letzte Bauer von N . . . 
Aus einem Feldpostbriefe der „Kreuzzeitung". 
Die Abendschatten lagen schon auf der Landschaft, die allenthalben die harten Spuren 
des Krieges zeigte, als wir uns mit unserem Bataillon dem „Bereitschaftsdorfe" näherten, 
das direkt hinter der vordersten Kampflinie lag. Totenstille herrschte, als wir die Dorf 
straße erreicht hatten; nur der helle Aufschlag ziellos abgesandter französischer Infanterie- 
geschosse unterbrach zuweilen die tiefe Ruhe. Gespensterhaft und traurig standen die 
Ruinen all der zerstörten Heimstätten gegen den dunklen Nachthimmel, gleichsam als 
Kläger für das vernichtete Glück ihrer Besitzer; kaum ein Häuschen, das noch leidlich 
imstande war. Nur wenn der heulende Wind gewaltsam ein Scheunentor öffnete, konnte 
man ganz verstohlen hier und da erleuchtete Fenster im Innern des Hofes erblicken, 
und die kräftigen Silhouetten unserer Feldgrauen, die geschäftig ihr warmes Abend 
brot verzehrten. Das wirkte in dieser traurigen Umgebung wie Friede, wie eine Ver 
söhnung. So lautlos wie irgend möglich erhielten die Kompagnien ihre Quartiere in 
den verlassenen Häusern und Kellern angewiesen; als ich das Tor zu meinem öffnen 
will, geschieht das schon bereits von innen. Ein stattlicher alter französischer Bauer 
steht vor mir und wünscht mir in seiner wohlklingenden Sprache guten Abend. Ich 
war vor Staunen ganz sprachlos! In dieser Einöde, wo täglich Granaten bersten, 
hatte ein Mensch den Mut, bei Haus und Hof auszuharren! Ich werde nun in ein 
warmes Zimmer geführt, wo ein sauberer runder Tisch und bequeme Korbstühle zur 
Unterhaltung einladen. Und der Bauer erzählt von den sieben letzten schweren Wochen, 
in denen alle seine Dorfgenossen Hab und Gut verließen und nur er allein zurückblieb, 
weil er es nicht vermochte, sich von seiner Scholle zu trennen, mit der sein Leben ver 
wachsen war von Jugend an. Er erzählte, wie erst die Deutschen und bald daraus die 
Franzosen den Ort ununterbrochen bombardiert hätten, und halbweinend klagte die 
Bäuerin ihr Leid: ihr einziger Sohn habe mit Pferd und Wagen den Franzosen folgen 
müssen, um Verwundete mitzunehmen, und sei seitdem verschollen. Ab und an stockt 
die Unterhaltung, wenn wir, ganz unwillkürlich, auf das Pfeifen der Geschosse über 
unserem Dache horchten. Dem Bauern freilich macht das nichts aus; er hat in seiner 
Jugend 1870 bei Orleans als Artillerist mitgefochten und die Angst vor dem großen 
Knall lange verloren. 
So gingen die Tage dahin: immer wenn ich ruhebedürftig vom Schützengraben nach 
zwei Tagen heimkehrte, fand ich ein trauliches warmes Stübchen vor und plauderte
	        
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