Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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Schießscharten, schüttelten den Staub von Haupt und Mähne und waren bereit, die 
Herren zu empfangen. Aber sie kamen nicht, ihre Verluste waren zu groß; ein von 
uns am Abend angesetzter Sturm konnte wegen des zu starken Artillerie- und Maschinen 
gewehrfeuers allerdings auch nicht vordringen. 
Die ganze Sache war so gekommen: Der Gegner hatte bei Morgengrauen unsere 
Schützengräben mit schwerster Artillerie einfach zugedeckt, so daß die Grabenbesetzung 
größtenteils verschüttet wurde. So lange im Graben noch kein Mensch vor Staub und 
Rauch und Gas die Augen aufmachen konnte, machte er einen Angriff und drückte 
unsere vorderste Linie ein. Einen Teil dieser Stellungen konnte er zunächst halten, der 
andere Teil wurde ihm sofort wieder abgenommen. Daß der Gegner am weiteren Vor 
dringen verhindert wurde, ist unbestreitbar hauptsächlich unserer Kompagnie zu danken. 
Nach den bei gefallenen und gefangenen Engländern aufgefundenen Auszeichnungen 
und Plänen hatte der Gegner für den Angriff 63 Batterien und sieben Brigaden bereit 
gestellt — zu einem Angriff auf einen Abschnitt, der bei uns in vorderster Linie von 
drei Kompagnien besetzt war. Diesen feindlichen Reserven brachte unsere flankie 
rende Artillerie entsetzliche Verluste bei. Nach Aussage von Gefangenen sind ganze 
Kompagnien durch Schrapnellfeuer buchstäblich weggemäht worden." 
Ein Beweis für die Schwere der englischen Verluste sind auch die ausführlichen 
Berichte der englischen Zeitungen zum Andenken an ein kanadisches leichtes In 
fanterieregiment, das im Dezember 1914 England verließ, am 7. Mai 1915 auf 
635 Mann zusammengeschmolzen war und am 18. Mai 1915 vor Ipern bis aus 150 Mann 
aufgerieben wurde. Oberstleutnant Farquhar, der das Regiment zum Teil aus eigenen 
Mitteln aufgebracht hatte, ist mit allen Offizieren bis auf einen Leutnant gefallen. 
Auf den Schlachtfeldern und in den deutschen Waldunterständen vor Ppern 
Ein Offizier des 2. Landsturm-Jnfanteriebataillons München, G. H., der Gelegen 
heit hatte, Mitte Mai 1915 die Gegenden um Zantvoorde, Gheluvelt, Veldhoek, 
Becelaere, Polygonwald, Westhoek und Zonnebeke zu besuchen, schilderte seine Ein 
drücke in einem ausführlichen Bericht an die „Münchner Neuesten Nachrichten" folgender 
maßen: „Kurz vor Zantvoorde hört plötzlich scheinbar alles Leben auf; weit und 
breit sieht man keine Menschenseele. Die Häuser vereinzelt abseits der Straße starren 
mich mit offenen Fenstern und Türen an; da und dort sieht man Spuren von Be 
schießung. Zantvoorde selbst besteht nur aus mehreren Häusern, darunter einigen 
Estaminets. Nach einem kleinen Hügel wird es auf einmal sichtbar, keine 200 Meter 
über dem Rücken. Ein paar Pferde trippeln vor der Straßenwirtschaft, Artillerie 
offizieren gehören sie, die hier in der Kantine etwas Trinkbares suchen; drinnen sitzen, 
in der gleichen Absicht ein paar ermüdete Feldgraue. Sonst regt sich nichts Lebendes 
in dem Nest, kein neugieriges Auge schaut zum Fenster heraus, kein Wagen zieht durch 
die Straßen, weder Mensch noch Tier läßt sich sehen, eine unheimliche Ruhe an solch 
herrlichem Frühlingstag, der alles zum Leben zu erwecken berufen scheint. Vergebliches 
Mühen, der Krieg hat hier seine furchtbare Geißel geschwungen. 
Rasch geht's in nordöstlicher Richtung zur schönen Chaussee, die in fast schnurgerader 
Richtung von Menin nach Ipern führt, hinab. Die Felder sind verwildert und doch 
scheinbar da und dort bebaut; doch es ist Trug! Die gelben Blütenfelder, die man 
sieht, sind nichts anderes als die blühenden Schößlinge der im Herbst nicht eingeheimsten 
und neuerdings treibenden Rüben. Da und dort ragt ein Holzkreuz über die fast 
meterhohen Triebe hinweg, „einem unbekannten tapferen Helden" gewidmet. Kilometer 
lange Gräben flankieren die Straße; die Verhaue vor den Gräben sind von der Natur 
fast völlig verkleidet und oft nur noch an den überragenden Pfosten zu erraten.
	        
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