Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

92 Die Ereignisse an der We st front von Mai bis August 1915 
Schrapnells und Gewehrfeuer ziemlich stark. Aber der Raum wurde in kurzen, raschen 
Vorstößen bewältigt. Bald kam jedoch das Regiment in einen Orkan von Feuer jeden 
Kalibers, von Schrapnells, Maschinengewehren, Gewehren und Explosivgranaten mit er 
stickender Gaswirkung. Von da ab fielen die Leute in unheimlicher Zahl. Trotzdem 
ging das tapfere Regiment weiter vor, wenn es auch seinen Zusammenhalt verloren hatte. 
Wie mörderisch das Feuer war, geht aus der Tatsache hervor, daß ungefähr 900 Meter 
vom Ausgangspunkt säst alle Offiziere gefallen oder verwundet waren. Trotzdem wurde 
der Angriff bis aus 80 Meter vor den deutschen Graben vorgetragen. Hier wurden 
Major Duhan, Hauptmann Mackie und Hauptmann Banks getötet, ebenso die beiden 
indischen Offiziere. Nur zwei von den Offizieren des Regiments blieben übrig, aber 
beide waren verwundet. 
Nun ließ der Feind dichte Wolken giftiger Gase gegen uns los, denen die Unsrigen 
unmöglich standhalten konnten. Die französischen Kolonialtruppen zur Linken waren der 
vollen Kraft der Gaswolken ausgesetzt und mußten sich zurückziehen. Unsere Leute wurden 
durch einen förmlichen Hagel von Bomben und Maschinengewehrfeuer niedergemäht. 
Ein weiteres Ausharren hätte unter solchen Umständen die vollkommene Vernichtung 
bedeutet; mit Widerstreben mußten wir deshalb die Früchte unserer Tapferkeit preis 
geben und uns zurückziehen." 
Den überaus heftigen Kampf nördlich des Teiches von Bellewaarde beschreibt ein 
württembergischer Mitkämpfer in einem im „Stuttgarter Neuen Tagblatt" veröffentlichten 
Feldpostbrief. Er erzählt: „Bei der Kompagnie war am 16. Juni 1915 um 3 Uhr morgens 
höchste Alarmbereitschaft befohlen worden, und als wir um 5 Uhr von unserer Nacht 
arbeit, der Verlegung eines Telephonkabels, zurückkehrten, war die Kompagnie marsch 
bereit. Wir konnten also kaum mehr einen Schluck Kaffee zu uns nehmen und dann 
kam der Befehl zum Abmarsch, zurück auf dem eben gekommenen Weg. Zuerst war 
das feindliche Feuer erträglich, dann aber bis zu unserer Hauptverteidigungsstellung 
hatten wir schreckliche l 1 /* Kilometer zurückzulegen. Der Gegner überschüttete uns mit 
einem Hagel von Schrapnells; Granate krepierte an Granate, die Leute wurden durch 
den Luftdruck der schweren 28 Zentimetergranaten tatsächlich umgeworfen. Drei Minuten 
vor 9 Uhr vormittags erhielt ich den Befehl, mit IV2 Zügen, also der halben Kom 
pagnie, um 9 Uhr 5 Minuten vormittags vorzugehen, den voraussichtlich in dem vor 
liegenden Wäldchen liegenden Gegner mit dem Bajonett zu werfen und unter allen 
Umständen am Teich von Bellewaarde rechts vorbei in unseren Reservegraben vorzu 
dringen. Dieser Auftrag wurde mit Schneid und Energie durchgeführt und es gelang 
uns, von dieser Stellung aus den mit starken Kräften anmarschierenden Gegner teilweise 
am weiteren Vorgehen zu hindern, teilweise zum Rückzug zu zwingen. Wären wir hier 
eine Viertelstunde später eingetroffen, wäre die Situation verloren gewesen, da sich dann 
unser Nachbarregiment nicht mehr hätte halten können; so aber konnte es, aus uns 
gestützt, die bereits verlorenen Grabenteile mit Handgranaten zurückerobern. Der 
rechte Flügel unserer Kompagnie stellte dann die Verbindung nach rechts her und war 
an der Erstürmung der Ferme de Bellewaarde hervorragend beteiligt. Von 4 bis 6 
Uhr nachmittags hatten wir in unserem Graben ein Artillerieseuer auszuhalten, wie es 
der Krieg wohl noch selten gesehen hat. Auf einen Raum von 250 Metern richtete 
der Gegner ein konzentrisches Feuer fast seiner gesamten Artillerie. Ein einziges 
Dröhnen, Heulen, Brüllen und Donnern; der ganze Boden war in Bewegung. Die 
Grabenwände stürzten ein, die Luft war mit Rauch und Staub angefüllt nnd die Sonne 
verfinstert. Die Hölle schien losgelassen, man glaubte, daß kein Mensch aus diesem 
Höllenpfuhl entkommen könnte. Offenbar beabsichtigte der Gegner nochmals einen An 
griff, aber kaum war die letzte Granate krepiert, standen wir schon wieder an den
	        
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