Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Kirche in Deutschland im ersten Kriegsjahr 
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dann fort: „Und noch eins tritt hinzu. Daß wir uns vor einer Welt von Feinden 
nicht fürchten, haben wir bewiesen. Daß ein Volk, das in einer Einigkeit ohne gleichen, 
in einer Begeisterung, die uns die Tränen in die Augen treibt, in einer Liebe, die alle 
Stände verbindet, in einem Aufschwung des Glaubens, vor dem wir bewundernd stehen, 
und in einer sittlichen Kraft und Entschlossenheit, die alles hingibt, unbesiegbar ist, ist 
unsere Ueberzeugung. Wir kämpfen für unsere Existenz, darum werden wir so lange 
kämpfen, als wir noch existieren. Dennoch sind wir einem Feinde gegenüber völlig wehrlos, 
der Macht der unerhörten Lüge, die, von den Regierungen der uns feindlichen Völler 
inspiriert, die Presse aller Länder gegen uns mobil gemacht hat, die bald lächerliche, bald 
boshafte Formen annimmt, immer aber uns schamlos verleumdet, herabwürdigt, entehrt. 
Sollen wir als Christen im Namen der Barmherzigkeit ihres Heilandes unsere Stimme 
erheben, so müssen wir die Forderung stellen, daß unsere christlichen Brüder ini Namen 
desselben Herrn für die Wahrheit und wider die Lüge eintreten und gegen die schmach 
volle Unwahrhaftigkeit protestieren, die die öffentliche Meinung der Länder irre zu führen 
und mit grundlosem, auf die Unschuldigen zurückfallendem Haß gegen Deutschland zu er 
füllen sucht. Auch hier müssen wir sagen: ohne eine solche energische Verwahrung würde 
die Unterzeichnung jener Erklärung für uns ein Preisgeben unserer christlichen Ehre und 
unserer sittlichen Würde sein." 
Der Krieg hat naturgemäß auch auf religiösem Gebiet eine große Anzahl meist kleinerer 
Schriften hervorgebracht, die in mannigfaltiger Weise Stellung zu den geistigen und 
sittlichen Problemen nehmen, die der Krieg uns ausgibt. Aus Einzelsragen kann hier 
nicht eingegangen werden. Aber auf eine Sammlung von Feldpostbriefen, Auszügen 
aus Kriegstagebüchern und Erfahrungen von Feldpredigern soll nachdrücklich hingewiesen 
werden, die von einem großen, ganz Deutschland umspannenden Kreis freiwilliger Mit 
arbeiter gesammelt und von Pfarrer Lic. Neuberg und Pastor Lic. Stange in Einzel- 
hestchen unter dem Gesamttitel „Gottesbegegnungen im großen Kriege" im 
Verlag von C. Ludwig Ungelenk in Dresden herausgegeben wird. Diese schlichten 
und so eindringlichen Zeugnisse religiösen Erlebens der deutschen Krieger gehören zum 
Heiligsten, was der Krieg hervorgebracht hat. 
In wahrhaft christlichem Geist ist auch die katholische Kirche in Deutschland den 
Aeußerungen des Krieges begegnet, frei von jenem Haß und Fanatismus, der von den kirch 
lichen Stellen in Frankreich wie in England, zu uns herüber schallen. Das kommt 
deutlich in dem gemeinsamen Hirtenbrief zum Ausdruck, den alle deutschen Erz 
bischöfe und Bischöfe Ende Dezember 1914 erließen. In ihm wird der Krieg als eine 
strenge „Adventschule" bezeichnet; wie ein Sturmwind sei er hereingefahren in die kalten 
Nebel und bösen Dünste des Unglaubens und der Zweiselsucht und in die ungesunde 
Atmosphäre der unchristlichen Ueberkultur. Das deutsche Volk besann sich jedoch wieder 
auf sich selbst, der Glaube trat wieder in sein Recht. Folgend dem Zuge der Gnade, 
folgend der Stimme seiner Hirten und der Mahnung seines gottesfürchtigen Kaisers, 
zog das Volk in die Kirchen und fand dort den Heiland. Der Krieg sei ein Strafgericht 
für alle Völker, die von ihm betroffen sind. Daher der laute Ruf nach Buße und Sühne. 
„Wehe dem Volk, das nicht einmal mehr dieser furchtbare Zuchtmeister zur Buße bringen 
kann. Es ist reif für den Untergang, und ihm würde auch der Sieg zur Niederlage. Wir 
wollen uns nicht in die Schulddücher der anderen Völker vertiefen, sondern in unser 
eigenes, wir wollen nicht das Gewissen unserer Feinde erforschen, sondern das unselige. 
Wir sind unschuldig an dem Ausbruche des Krieges, das können wir vor Gott und der 
Welt bezeugen. Im übrigen wollen wir nicht aus unsere Unschuld pochen. Denn der 
Krieg hat auch bei uns schwere Schuld aufgedeckt, so vor allem die Schuld am Nieder 
gang des religiösen und des sittlichen Lebens."
	        
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