Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Deutschlands wirtschaftliche u.sozialeOrganisation während des zweitenKriegshalbjahres 45 
Mai 1915 vorliegenden Ergebnissen der Rentabilitätsstatistik ging in der Lederindustrie 
die Dividende von 8,1 °/ 0 des Aktienkapitals für 1913 auf 11,2 % für 1914 hinaus. 
Noch zwei weitere industrielle Gewerbszweige verdienen besonders beleuchtet zu werden: 
die Textilindustrie und das Baugewerbe. Schon kurz vor dem Beginn des Krieges wies 
die Textilindustrie eine gewisse Stagnation aus. Dann beeinflußte die Kriegs 
konjunktur fast das gesamte Textilgewerbe sehr günstig. Aber als der erste ungewöhnlich 
hohe Bedarf gedeckt war, trat ein Rückschlag ein, der besonders in den Sommermonaten 
1915 recht fühlbar wurde und vielfach zur Herabsetzung der Zahl der weiblichen Arbeits 
kräfte führte. Im Baugewerbe sind die Verhältnisse recht trübe. Die private Bau 
tätigkeit ruhte fast ganz und auch die öffentliche ging stark zurück. Eine Arbeitskrise 
wurde nur durch die militärischen Einberufungen und die Abwanderungen der Arbeiter 
in andere Gewerbszweige (Kriegsindustrie und Landwirtschaft) vermieden. 
Damit sind wir bereits zum eigentlichen Handwerk gekommen. Das hatte unter 
den Einwirkungen des Krieges besonders stark zu leiden. Der Arbeitsmangel nötigte 
viele Betriebe, zu schließen. Dazu kamen die Einberufungen der Meister und der Ge 
sellen, die ebenfalls eine zeitweilige Einstellung des Betriebes zur Notwendigkeit machten. 
Gewiß, auch eine Reihe von Handwerksbetrieben profitierte vom Kriege, so das Metall 
gewerbe, die Schuhmacherei, die Schneiderei, die Stellmacherei und die Sattlerei. Da 
gegen hatten die anderen, die an Kriegslieferungen nicht beteiligt waren, besonders zu 
leiden: die Maler, die Klempner, die Bauschlosser, die Glaser, die Drechsler, die Tischler, 
die Buchdrucker, die Graphiker, die Friseure und die Bäcker. Die Kreditnot, das Borg 
unwesen, der Mangel an Rohstoffen und das Fehlen großzügiger Organisationen zur 
gemeinsamen Uebernahme umfangreicher Kriegslieferungen taten ein übriges, um die 
mißliche Lage des Handwerks noch zu verschärfen. Immerhin waren die Handwerks 
kammern im Verein mit den Innungen und Genossenschaften mit Erfolg bestrebt, Grund 
lagen für solche Organisationen zu schaffen. Infolgedessen hat die Heeresverwaltung 
denn auch bereits günstige Versuche mit Kollektivaufträgen an das Handwerk gemacht. 
Bisher hatte der größte solcher Aufträge, und zwar aus Lieferung von Proviantwaren, 
einen Wert von 16,5 Millionen Mark. Weit günstiger waren die Verhältnisse in der 
Landwirtsch aft. Das Gros der kleinen und mittleren Landwirte hat, soweit sich das 
schätzungsweise übersehen läßt, recht gut abgeschnitten. 
Zum Schluß seien noch einige Daten über den hervorragenden Anteil der deutschen 
Wissenschaft an der Herstellung von Ersatzstoffen gegeben. Infolge des 
unterbrochenen Handelsverkehrs mit dem Auslande hatte die deutsche Landwirtsch aft 
vor allem den Mangel von Futter- und Düngungsmitteln zu beklagen. Und gerade aus 
diesem Gebiete hat der deutsche Gelehrte die überraschendsten Erfolge erzielt. Im Ber 
liner Institut für Gärungsgewerbe gelang es, ein Verfahren auszuarbeiten, das die 
Massenerzeugung von Hefe als Futtereiweiß unter ausschließlicher Verwendung 
von Zucker und schwefelsaurem Ammoniak ermöglichte. Dieses Verfahren ist geeignet, uns 
auf die Dauer von der Einfuhr ausländischer Kraftfuttermittel unabhängig zu machen. 
Dr. Hatschek machte durch Versuche sämtliche Brauerei- und Mälzereiabfälle ohne vor 
herige Abtötung der Hefe zur Herstellung von Futter verwendbar. Es wurde zu diesem 
Zwecke den Abfällen aufgeschlossene Stärke in Form von gekochten Kartoffeln zugesetzt. 
Der Nährwert des Futtermittels wird durch einen Zusatz von Kleie und Blut erhöht. 
Das Gemenge wird getrocknet und dann zu Flocken verarbeitet. Einem anderen Forscher 
glückte es, aus gemahlenem Stroh ein Pulver herzustellen, das sich besonders für die 
Schweinemast eignet. Ferner zog man Pflanzen, denen man als Tiernährmittel bisher 
nur eine geringe Rolle zugewiesen hatte, in weitgehendem Maße zu diesem Zwecke heran. 
Dabei kommen insbesondere die Lupinen in Frage, nachdem man es verstanden hatte.
	        
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