Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Italien erklärt Oesterreich-Ungarn den Krieg 305 
dort wie in allen die beiden Gebiete verbindenden Geländen alle örtlichen Vorrichtungen 
getroffen worden, um einer eventuellen Offensive von seiten der Truppen der Monarchie 
vorzubeugen. In der von den Lagunen bei San Giorgio di Nogaro bis zu den ersten 
Voralpen bei Gemona sich ausdehnenden westfriauler Ebene wurden alle Bäume gefällt, 
mehrfache Reihen von Schützengräben angelegt und das Vorgelände mit Drahtverhauen 
und Wolfsgruben versehen. Das gleiche war an der Tiroler Grenze im Etsch- und 
Brentatal notwendig. In den karnischen Dolomitalpen, auf denen die Grenze von der 
Pontafel-Linie bis gegen das Trentino läuft, wie in den Ortler- und Adamello-Alpen, wurde 
jeder Saumpfad befestigt und auf einsamen Höhen Schneeschanzen und Blockhäuser angelegt. 
Entsprechend der langen Vorbereitungszeit konnte auch der Ausrüstung der Truppen 
eine größere Sorgfalt gewidmet werden, als dies sonst in Italien üblich war. Für 
die Fronttruppen ist die bereits im libyschen Feldzug erprobte graugrüne Uniform nach 
österreichischem Schnitt eingeführt worden, deren Grundton jedoch bei den Mannschaften 
mehr grün, bei den Offizieren mehr grau ist. Die Mobil- und Territorialmilizinsanterie 
rückte dagegen mit der alten dunkelblauen piemontesischen Uniform aus. Auch die Be 
waffnung beider Kategorien ist keine einheitliche, da erstere das Mannlicher-Magazin 
gewehr, letztere Vetterligewehre Modell 1878 verbesserter Art tragen. 
Außer der Infanterie sind auch die Artillerie und das Geniekorps auf Kriegsfuß ge 
bracht worden. Dagegen war man mit der Einberufung der Kavalleriereserven 
langsamer, vor allem weil das im Lande vorhandene Pferdematerial knapp zur Aufstellung 
der Reserve-Feldartillerieregimenter ausreichte. Um den Mangel an Kavallerie aus 
zugleichen, hat man, wie im Jahre 1866, die berittenen Gendarmen (Karabinieri), 
die in Italien eine freiwillige Söldnertruppe bilden, zu Eskadronen formiert und den 
Kavalleriedivisionen beigegeben. Ebenso ist bei der Infanterie die Finanzwachtruppe 
eingereiht worden, die sich in Friedenszeiten gleichfalls aus Freiwilligen rekrutiert. Diese 
Finanzsoldaten werden, da sie auch im Frieden den Grenzüberwachungsdienst versehen, 
ein treffliches Führerelement in den öden Gebirgsgegenden der Grenzdistrikte sein. 
Für die Beschaffung des Proviants wurde seit Monaten ausreichende Fürsorge ge 
troffen; die Soldaten erklärten, noch nie eine so reichliche und gute Kost erhalten zu 
haben als wie in dieser Mobilmachungszeit. Man verfolgte ein förmliches Hyperernährungs 
verfahren, offenbar, um die durch die Entbehrungen der Teuerung geschwächten Organis 
men der Einberufenen kriegstüchtig zu machen. 
Neben dieser, dem bestimmten Zweck einer Aktion gegen Oesterreich-Ungarn dienenden 
Mobilisierung wurde gleichzeitig in und bei Rom ein Schutzkorps für Libyen mobili 
siert zum Ausgleich der jüngsten schweren Verluste in der Gegend der Syrien und zur 
Abwehr weiterer Angriffe. Eine dritte Mobilisierung ist jene der Flotte, die, unter 
dem Befehl des Herzogs der Abruzzen stehend, seit Anfang April 1915 in dem adriati 
schen Hauptkriegshafen Tarent konzentriert war. Rückständiger dagegen waren die sani 
tären Vorbereitungen, die nur teilweise von dem Armeesanitätswesen eingerichtet 
wurden, zum größten Teile aber von Hilfsinstitutionen wie dem Roten Kreuz, dem 
Malteserritterorden sowie katholischen Ordensgenossenschaften organisiert werden sollten." 
Die Stimmung der Mannschaften unterschied sich, so schreibt ein Italiener der 
„Vossischen Zeitung", in wohltätiger Weise von dem lärmenden Wesen des Mobs in den 
italienischen Städten. Andererseits fehlte aber auch vollständig jede Kriegsbegeisterung, 
was mit der entschieden antikriegerischen Stimmung der durch die Mobilisierung in ihren 
landwirtschaftlichen Arbeiten aufs empfindlichste gestörten Landbevölkerung zusammenhing. 
Ausnahmen hiervon bildeten die Alpenjäger- und Bersaglieriregimenter, die sich stets durch 
Pflege eines besonderen Patriotismus auszeichneten. Auch bei den Offizieren herrschte 
zumeist eine ruhige Stimmung vor. 
Völkerkrieg. VI. 
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