Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Italien erklärt Oesterreich-Ungarn den Krieg 301 
Aus dem Balkon des Quirinals 
Das Volk feierte die Entschließung des Parlaments am 21. Mai mit großen 
Demonstrationen. „Sie gingen", wie der Korrespondent des „Berliner Tageblatts" 
berichtete, „vom Kapitol aus, wo zunächst der Gemeinderat eine Festsitzung abhielt, 
während deren sich schon eine große Menge angesammelt hatte, die die Banner der „un- 
erlösten Gebiete" im Winde wehen ließ. Nach Beendigung der Festsitzung ließ der Bärger 
meister Fürst Prospero Colonna auch das Banner Roms heraustragen und mit den 
Fahnen Triests, Trients und Dalmatiens die Spitze eines Zuges bilden, der sich unter 
Führung beider städtischer Kollegien hunderttausend Menschen stark über den Kapitol 
platz, die Via Gesa und die Via Giulio Romano nach dem Quirinal bewegte. So 
fort traten der König, die Königin und ihre Kinder auf einen Balkon; hinter 
ihnen hielt ein Kammerdiener eine italienische Fahne. Unbeschreiblicher Jubel begann. 
Die Menge brachte Hochrufe auf den König, das Haus Savoyen, das Heer, Italien, 
Trient und Triest aus. Dann trat der König, der schon die grüngraue Felduniform 
trug, vor, ergriff die italienische Fahne, schwenkte sie und rief mit weit über den Platz 
tönender Stimme: „Viva, l’Italia!“ Die Königin war so gerührt, daß sie beständig ihr 
Taschentuch an die Augen führte. Die kleinen Prinzessinnen jauchzten, und der Kron 
prinz schwang seine Matrosenmütze. Die Szene spielte sich genau auf demselben Balkon 
und an derselben Stelle ab, wo, nach der Thronbesteigung König Umbertos, der nach 
Rom geeilte deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm den damaligen kleinen Kronprinzen, 
den jetzigen König, in die Arme nahm, küßte und dem italienischen Volk zeigte, das 
genau wie beute vor Freudentaumel ergriffen immer wieder „Viva la Germania!“ schrie. 
Als der König die Trikolore entrollte, brach die Volksmenge in Schluchzen aus. Vielen 
rollten die Freudentränen über das Gesicht. Die Hochrufe auf den König, das Haus 
Savoyen und den Krieg nahmen kein Ende. Alles tobte vor Begeisterung und stimmte 
das Mameli-Lied an. Eine Deputation des Gemeinderats begab sich auf kurze Zeit zum 
Könige; als darauf das Königspaar mit dem Bürgermeister und der Fahne der Stadt 
Rom abermals auf den Balkon trat, entzündete sich das Delirium von neuem. Lang 
sam zogen die Massen endlich ab und brachten noch beim Vorbeimarsch vor der Con- 
sulta, vor dem Kriegsministerium, vor Salandras Wohnung und vor dem belgischen 
Priesterkolleg dem „heldenhaften Belgien" und dem „glorreichen König Albert" lebhafte 
Ovationen dar, was die belgischen Priester mit „Ewiva ritalia!“ erwiderten. Schließ 
lich ging es zum Palais der Königin Margherita und zur englischen Botschaft, wo Sir 
Rennell Rodd aus dem Balkon erschien und der Menge dankte. 
Italien erklärt Oesterreich-Ungarn den Krieg 
Maßnahmen und Kundgebungen der Regierung 
21. Mai 1915. 
Die Regierung hat den Kriegszustand in Italien erklärt. 
Durch ein Königliches Dekret wird eine allgemeine Amnestie für politische Ver 
gehen und Verbrechen erlassen. 
22. Mai 1915. 
Der König ordnet die allgemeine Mobilmachung an mit Beginn am 23. Mai 
morgens. Einberufen sind die Jahrgänge 1876 bis 1895 der ersten und zweiten Kate 
gorie und der bewaffnete Landsturm. 
Das Marineministerium in Rom gibt bekannt, daß die Schiffahrt im Adriati 
schen Meere eingestellt ist.
	        
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