Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

Die Verhandlungen der Dreibundmächte und der Vertragsbruch durch Italien 273 
des Friedens zu sichern und alles, was in seiner Macht liegt, tun wird, um möglichst 
bald an einer Wiederherstellung des Friedens mitzuhelfen, gegenüber seinen Verbündeten 
eine herzlich freundschaftliche Haltung bewahren wird, entsprechend dem Dreibund vertrage 
und seinen aufrichtigen Gefühlen und den großen Interessen, die es wahren muß." 
Nach den über die Auslegung des Artikels 7 des Dreibundvertrages zwischen den 
beiden Kabinetten in freundschaftlichem Tone geführten längeren Verhandlungen erklärte 
die österreichisch-ungarische Regierung, um Italien einen Beweis weitesten Entgegen 
kommens zu geben, sich bereit, für den Fall temporärer oder definitiver Besitzergreifung 
eines auf der Balkanhalbinsel gelegenen Gebietes in Konversation mit Italien über die 
Kompensationsfrage einzutreten. Der Minister des Auswärtigen, Marchese di San 
Giuliano, quittierte diese Erklärung dankend am 25. August 1914, hielt es jedoch bei der 
damaligen Kriegslage für verfrüht, die Frage etwaiger Kompensationen zu besprechen. 
Hiermit waren die Verhandlungen zwischen Wien und Rom über die prinzipielle Seite 
des gegenseitigen Verhältnisses zu einem vorläufigen Abschluß gelangt. 
Die italienische Regierung benützte die nächsten Monate zur Ausgestaltung und Kräfti 
gung ihrer militärischen Machtmittel und begann mit einer Aktion, die auf die Erwer 
bung territorialer Stützpunkte jenseits der Adria in Albanien abzielte. Wiewohl dies 
mit dem in der Denkschrift angefügten Abkommen vom Jahre 1900/1901 sowie der An 
fang August 1914 von der italienischen Regierung in Wien abgegebenen formellen Er 
klärung, daß Italien den hinsichtlich Albaniens mit Oesterreich-Ungarn eingegangenen 
Abmachungen ebenso, wie den Beschlüssen der Londoner Konferenz treu bleiben werde, 
nicht im Einklänge stand, erhob Oesterreich-Ungarn keine Einwendungen, umsoweniger 
als Italien jede einzelne provisorische Maßnahme in Wien unter Wiederholung dieser 
formellen Erklärungen notifizierte. 
Bald aber begann eine leidenschaftliche Erregung Italien zu ersassen. Die These der 
absoluten Neutralität wich nun der Parole einer wachsamen und bewaffneten Neutralität 
und später der zynischen Phrase des Sacro Egoismo (vgl. S. 257). Mit dem Eintritt 
Sonninos in das Kabinett am 5. November 1914 (vgl. S. 254) begann die zweite Phase 
in der Haltung Italiens, die von dem Entschlüsse beherrscht war, ohne Rücksicht auf die 
Bundespflicht oder sonstige moralische Bedenken den günstigen Augenblick, da die beiden 
Verbündeten in schweren Kämpfen gegen ihre mächtigen Gegner begriffen waren, aus 
zunützen, um von Oesterreich-Ungarn die Abtretung seiner südlichen, von Italienern be 
wohnten Gebiete zu erpressen und sie im Notfälle gewaltsam zu erzwingen. 
Die österreichisch-ungarische Denkschrift schildert dann eingehend den Verlauf und Inhalt 
der seit dem 11. Dezember 1914 gepflogenen Verhandlungen, in denen Italien durch den 
Wiener Botschafter, den Herzog von Avarna, unter dem Hinweis auf nationale Aspirationen 
den Standpunkt vertreten ließ, daß es nach Artikel 7 des Dreibundvertrages das Recht auf 
Kompensationen besitze, worauf am 14. Januar 1915 die formelle Anfrage folgte, ob Oester 
reich-Ungarn eine Zession von Teilen seines Gebietes als Basis der Verhandlungen an 
zunehmen gewillt sei. Wiewohl Oesterreich-Ungarn sich nur schwer mit dem Gedanken 
befreunden konnte, kampflos aus Gebiete zu verzichten, die seit vielen Jahrhunderten 
unter dem Szepter des Habsburger Hauses standen und als natürlicher Schutzwall der 
Monarchie vorgelagert waren, entschloß sich der Minister des Aeußern am 9. März 1915 
mit Genehmigung des Monarchen und der Zustimmung beider Regierungen dem italie 
nischen Botschafter zu eröffnen, daß Oesterreich-Ungarn im Prinzip die Abtretung eigenen 
Gebietes als Verhandlungsbasis über die Kompensationssrage annehme. Tatsächlich trat 
auf Wunsch Italiens Oesterreich-Ungarn am 27. März und 2. April 1915 mit Präposi 
tionen hervor, in denen es die Bezirke von Trient, Rovereto, Riva und Tione, mit 
Ausnahme von Madonna di Campiglio, und die Umgebung von Borgo anbot; im 
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