Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

238 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
Ueber den Großfürsten ist mancherlei gesäbelt worden, das demjenigen, der sein Leben 
einige Tage beobachten konnte, nur ein Lachen abgewinnen kann. Er ist nicht der Ge 
nießer, wie ihn manche Blätter gemalt haben, er lebt vielmehr im Felde einfach und 
ist mit der allerbescheidensten Soldatenkost zufrieden, wenn es sein muß. Er steht damit 
im großen Gegensatz zu seinem Neffen, dem Zaren, der sich immer von einem Küchenpark 
begleiten läßt. Ins Reich der Fabel gehört ferner, daß der Großfürst einige Generale, 
die Mißerfolg gehabt haben, geschlagen habe. Im Gegenteil, Nikolaj Nikolajewitsch 
empfängt die unglücklichen Generale nach ihren Niederlagen mit Liebenswürdigkeit, hängt 
ihnen auch wohl persönlich eine hohe Klaffe des Andreaskreuzes um den Hals. Ja, er 
pflegt diese Generale manchmal noch besonders zu ehren. Allerdings find diese Ehren 
recht eigentümlicher Natur. Das Gelingen des Durchbruchs des deutschen Korps bei 
Lodz verschuldete der russische General Plantkewitsch, der nicht rechtzeitig die eiserne 
Klammer schloß und schwer und umständlich operierte. Nikolaj Nikolajewitsch ließ den 
General mit seiner Division wenige Wochen später gegen eine vorzüglich ausgebaute 
Stellung der Oesterreicher in den Karpathen vorgehen, die als uneinnehmbar galt. Nikolaj 
befahl dem General, diese Stellung unter allen Umständen, koste es, was es wolle, zu 
nehmen. Die russische Division ist von dem mörderischen Feuer aus der österreichischen 
Stellung vernichtet worden. Unter den Leichenbergen lag auch der tote russische General. 
Nikolaj Nikolajewitsch verhört gefangene deutsche Offiziere oft persönlich. Ich war 
selbst einmal Zeuge eines solchen Verhörs. Zwei Fliegeroffiziere wurden vor den Groß 
fürsten geführt, deren Flugzeug durch Schrapnellfeuer beschädigt worden war und in den 
russischen Linien landen mußte. Der eine der Offiziere war am Arm und an der Schulter 
verletzt. Der Großfürst erreichte mit seinem Verhör nichts, da die deutschen Offiziere 
die Fragen nach den deutschen Armeestellungen unbeantwortet ließen. Als er mit 
Drohungen auch nicht mehr erreichte, brach er das Verhör ab, ließ den beiden Offizieren 
Wein reichen und den Verwundeten durch seinen Arzt verbinden. 
Nikolaj Nikolajewitsch besitzt in seiner Umgebung gewiß keine Freunde, sein Wesen 
wird als hart und abstoßend geschildert, und vor dem Wert des Menschenlebens hat er 
nicht allzugroße Achtung. Als man ihm die Verluste der Niederlage in Ostpreußen 
meldete, überhörte er die Zahl der getöteten Menschen und sagte bloß: „500 Geschütze 
lassen sich schwer ersetzen." Für die 150000 russischen Soldaten, die bei Tannenberg 
fielen, fand er kein Wort." 
Radko Dimitriew 
Der Kommandant der in den ersten Maitagen des Jahres 1915 ausgeriebenen russischen 
dritten Armee, der bulgarische General Radko Dimitriew, befehligte, bevor er an Stelle 
des Generals Rußki dieses Kommando erhielt, die siebente Armee, die Przemysl belagert 
hatte, und wurde dort durch General Seliwanow ersetzt. Trotz seines Mißerfolges bei 
Przemysl ist er, nach den Mitteilungen einiger Ententeblätter, zum russischen Feld 
marschall befördert, nach andern Angaben sogar in den Fürstenstand erhoben worden. 
Ueber das bewegte Leben dieses bulgarischen Generals gibt St. Dimitroff in der 
„Neuen Züricher Zeitung" ausführliche Mitteilungen, denen wir folgendes entnehmen: 
„Dimitriew stammt aus Gradez, einer kleinen Ortschaft in Südbulgarien. Zu Anfang 
der achtziger Jahre absolvierte er die Militärakademie in Petersburg, trat dann 
als Offizier in die bulgarische Armee ein und machte im Herbst 1885 den Feldzug 
gegen die Serben mit. Bei der Entthronung Fürst Alexanders von Battenberg 
durch die Militärverschwörung (1886) beteiligte sich auch Dimitriew. Als der Kammer 
präsident Stambulow sich an die Spitze der Gegenrevolution stellte uud durch seinen 
Schwager, General Mutkurow, die Truppen von Südbulgarien nach Sofia dirigierte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.