Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

206 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
die Juden, für die es nicht genug Quälereien, nicht genug Demütigungen gab, war's 
auch hier eine Schreckenszeit. Charakteristisch für die willkürliche Behandlung der Juden 
durch die Russen ist eine Bekanntmachung, die der Kommandant der russischen Etappen 
station in Krosno am 10. März 1915 erließ und die folgendermaßen lautete: „Es wird 
hiermit bekannt gegeben, daß die jüdische Bevölkerung der durch das russische Heer be 
setzten Gebiete für jeden durch Oesterreicher oder Preußen an hier ansässigen Bürgern 
verübten Gewaltakt verantwortlich erklärt wird, und daß aus den durch das russische 
Heer besetzten Gebieten Geiseln entnommen und nach Rußland abtransportiert worden 
sind, von denen je zwei mit ihrem Tode büßen werden, für jeden Bürger, der seitens 
der Oesterreicher oder Preußen verfolgt wird, oder für jeden jüdischen Spion, der in 
diesem Gebiete gefangen genommen wird." 
Episoden 
Die Heldentat des Leutnants Pindter von Pindtershofen. 
Wie sich ein österreichisch-ungarischer Leutnant nach kaum 23stündiger Gefangenschaft 
befreit und dabei einen Brigadegeneral, 382 Mann und 15 Geschütze erbeutete, schildert 
Feldmarschalleutnant d. R. Kellscha aus Grund eines Briefes des Regimentskommandeurs, 
des Obersten Julius Köhler, sim „Neuen Wiener Tageblatt" folgendermaßen: „Nach 
dem grandiosen Durchbruch der russischen Verteidigungslinie in Westgalizien am 2. Mai 
1915 geriet alsbald auch die russische Beskidensront ins Wanken. Am 5. Mai wurde 
Leutnant v. Pindter mit einer Nachrichtenpatrouille an den Feind entsendet. Im Laufe 
der Erkundung ließ er die Patrouille halten und begab sich mit Korporal Kloß allein 
auf einen nahen Aussichtspunkt, um eine bessere Uebersicht zu gewinnen. Während er 
hier, abgesessen, eine Meldung schrieb, wurden die beiden plötzlich von einer Kosaken 
abteilung überfallen, die sich in dem stark bedeckten Gelände unbemerkt nähern konnte. 
Leutnant v. Pindter wollte sich aufs Pferd schwingen, aber die Sattelgurten waren 
infolge des raschen Rittes locker geworden, und der Sattel rutschte herab. Zum Um 
satteln war keine Zeit mehr. Die Situation war eine verzweifelte, da auch der Rest 
der Patrouille vor überlegenen Kräften weichen mußte. Leutnant v. Pindter ließ die beiden 
Pferde laufen und verteidigte sich mit Korporal Kloß fast eine Stunde lang, bis beide 
ihre Munition verschossen hatten. Dann traf sie unausweichlich das traurigste Soldaten 
los: sie gerieten in feindliche Gefangenschaft. 
Am 6. Mai marschierten die beiden Kriegsgefangenen mit einer russischen Artillerie 
brigade, zu der sie überstellt worden waren, nach Norden. Mit ihnen marschierten 
unter gemeinsamer Bedeckung fünf gleichfalls kriegsgesangene Infanteristen des Land 
wehrinfanterieregiments Nr. 24. Bei Mszana, halbwegs zwischen Duklapaß und Dukla- 
ort, geriet die russische Artilleriebrigade plötzlich in Artillerie- und Maschinengewehr- 
seuer. Infolge dieses Feuerübersalls entstand eine Verwirrung in der feindlichen Kolonne, 
in der sich die sieben Kriegsgefangenen befanden. Leutnant v. Pindter und seine Schick 
salsgenossen hatten hier ein seltenes Soldatenglück: sie fanden Gelegenheit, in dem 
Trubel zu entweichen und die Freiheit wieder zu gewinnen — aber auch noch die Ge 
legenheit zu einem Heldenstück ohnegleichen. Die kritische Lage der Artilleriebrigade 
und ihren Zustand rasch erfassend und würdigend, faßte Leutnant o. Pindter den aller 
kühnsten Entschluß: er und auf seinen Befehl die sechs kriegsgefangenen Soldaten be 
mächtigten sich mit stürmender Faust russischer Jnfanteriegewehre und drangen auf den 
Brigadier ein. Am Leben bedroht und durch Rückzug und Ueberfall in der Moral 
zermürbt, in der Marschkolonne ohne ausreichende Bedeckung von feindlichem Feuer 
überrascht und plötzlich Feinde in seinen Reihen sehend, gab sich der Generalbrigadier 
und mit ihm ein Oberst, zehn andere Offiziere und 382 Mann dem winzigen Helden-
	        
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