Volltext: Der Völkerkrieg Band 4 (4 / 1916)

190 Die russischen Kriegsschauplätze bis zur Wiedereroberung von Przemysl 
währenden Nachtangriffen gegen die Linien von drei deutschen Divisionen zum Sturm 
ansetzte, hatte er kein Glück. Es gelang ihm an keiner einzigen Stelle, gegen die deut 
schen Linien auch nur den geringsten Erfolg zu erzielen. Dagegen waren seine blutigen 
Verluste außerordentlich schwer und die Truppe nach dem Mißlingen der ersten Angriffe 
nur noch schwer vorwärts zu bringen. Die russischen Offiziere blieben infolgedessen 
hinter der Front zurück und suchten durch Drohungen mit der Waffe die zögernd Vor 
gehenden in den Kampf zu treiben. Eine Offensive bei Tage wagte man aus Furcht 
vor der deutschen Artillerie überhaupt nicht mehr. Nur noch vom Nachtgefecht versprach 
man sich Erfolg, weil bei dieser Kampfesweise allein die zahlenmäßige Ueberlegenheit 
zum Ausdruck kommen konnte. Die undisziplinierten, nur wenige Wochen ausgebildeten 
Ersatzmannschaften versagten aber bei den nächtlichen Kämpfen in dem waldigen Ge 
lände. Die Zahl der Ueberläufer mehrte sich von Nacht zu Nacht. Dazu fehlte es 
russtscherseits an Offizieren, um die schwierige Führung der Truppe im Nachtgesecht zu 
ermöglichen. Aus solchen Gründen mußte der in der Nacht vom 2. zum 3. Juni ge 
plante Generalangriff unterbleiben. So mißlang das Unternehmen. Ganze Divisionen 
mußten in den letzten Tagen zurückgenommen werden, weil ihre Zuverlässigkeit stark 
erschüttert war. Die Verluste waren so schwer gewesen, daß die Gefechtsstärke einzelner 
Divisionen nicht viel mehr als 3000 Bajonette betrug, statt einer Kriegsstärke von 
16 000 Mann. Am 12. Juni 1915 war der Augenblick gekommen, in dem die deutsche 
Offensive, nachdem inzwischen die Festung Przemysl gefallen war, weitergeführt wurde." 
Die Besetzung des Naphthagebiets von Boryslaw-Drohobyez und die 
Erstürmung von Stryj Mitte bis Ende Mai 1915 
Als der Ausgang der großen Maischlacht auch an der Front der russischen Beskiden 
armee fühlbar wurde, begann die Südarmee des Generals v. Linsingen erneut den 
Vormarsch. Während sich das Gros am 12. Mai 1915 im Opor- und Orawatale 
gegen den Stryj zu in Bewegung setzte, unternahm der linke Flügel, die ungarische 
Gruppe des Feldmarschalleutnants Szurmay, die während der Wintermonate die Wacht 
am Uzsoker Paß gehalten und noch kurz vor der Maischlacht an der steilen Czarwinka 
hartnäckige Angriffe der Russen erfolgreich abgewiesen hatte, in der Richtung von Turka 
vorrückend, den Stoß gegen das Zentrum des Petroleumgebiets zwischen dem Oberlauf 
des Dnjestr und dem Stryjtal mit den wichtigen Nachbarorten Boryslaw und Drohobycz. 
Aber noch schlossen sich die Russen, die dort hielten, dem Rückzug nicht an. In 
schwerem Nachtkampf mußte die von ihnen gehaltene Höhe 859 erstürmt werden. Wei 
teren Widerstand leisteten am Nordhang der Karpathen russische Nachhuten; die Haupt 
kräfte der Russen gingen rasch zurück, und die ungarische Infanterie war dicht hinter 
ihnen. Nicht auf der Talsohle ging die Verfolgung, sondern quer über die Hänge. 
„Gleichsam in einer Luftlinie," schreibt Eugen Lennhof im „Berliner Tageblatt", „eilten 
die tapferen Honveds dem Gegner nach. Auf der Straße folgten die bosnischen Trains; 
auf schmalen Wagen, die von kleinen, unendlich zähen bosnischen Gebirgspferden gezogen 
wurden, jagten serbische Fuhrleute aus Südungarn hinter den Kampftruppen her. 
Schwere Tage waren das für die technischen Gruppen: alle Kunstbauten, Viadukte, 
Brücken waren aufs gründlichste gesprengt, aber rasch wieder in Stand gesetzt. 
Weiter ging die Verfolgung: Ueber Stary-Sambor nach Nordosten. Als die ersten 
Truppen auf den Höhen von Boryslaw anlangten, bot sich ihnen ein schauerliches 
Schauspiel: Der Naphthabezirk zu ihren Füßen brannte!" 
Dieses wichtigste und reichste Naphthagebiet Zentraleuropas, das bis zum Kriegsaus 
bruch jährlich fünfzehn Millionen Meterzentner Erdöl im Werte von fünfzig Millionen 
Kronen lieferte, blieb unter der russischen Herrschaft im großen und ganzen unbeschädigt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.